Willkommen zu unserer neuen Rubrik „Abserviert“! Die Zeit ist wieder mal reif, mich von ein paar Spielen zu trennen. Nicht, weil mir der Platz ausgeht oder ich ein selbst auferlegtes Maximum an zu besitzenden Spielen erreicht habe. Aber wenn ich meine Sammlung ehrlich und kritisch betrachte – und das Problem kennen wohl viele von euch – gibt es da einfach einige Titel, die ich in absehbarer Zeit nicht mehr zu spielen gedenke. Die Gründe dafür sind unterschiedlicher, oft individueller Natur. Und da die meisten dieser Spiele, die den Test der Zeit bei mir oder meinen Kollegen nicht (mehr) bestehen, keine totalen Rohrkrepierer sind, haben wir diese Rubrik ins Leben gerufen. Hier wollen wir ihnen zum Abschied ein paar mehr oder weniger wohlwollende Worte widmen.
U-BOOT: Das Brettspiel (Pegasus, 2019)
Beginnen wir doch gleich mit einem Kracher. U-BOOT (Artur Salwarowski & Bartosz Pluta) ist eine kooperative, App-unterstützte U-Boot-Simulation in Brettspielform für bis zu vier Spieler, die an Bord unterschiedliche Offiziersrollen bzw. Zuständigkeiten übernehmen. Dafür stehen jedem Spieler mehrere Matrosen zur Verfügung, die er Worker-Placement-mässig einsetzt, um die zahlreichen Aufgaben während einer Fahrt zu erfüllen. Im Prinzip läuft das ganze Spiel in Echtzeit ab, wobei sich die Geschwindigkeit auf der App regulieren lässt (ausserhalb der Kämpfe entsteht so eigentlich nie Stress). Herausragend ist hier nicht nur das Thema und dessen – für Brettspielverhältnisse – detaillierte Umsetzung, sondern auch das Material: So platziert und bewegt man seine Matrosen in einem rund 90cm langen U-Boot-Modell, das auf dem Spieltisch einfach eine fantastische Figur macht. Hinzu kommen Seekarten, Navigationswerkzeug und anderes Spielmaterial, alles in authentischer oder zumindest thematisch exzellent umgesetzter Optik.
Die Prämisse fand ich unglaublich faszinierend: Zu viert in einem U-Boot auf Feindjagd, ein thematisch dichtes Teamerlebnis mit der Möglichkeit einer ganzen Kampagne – das versprach so einige spannende und erinnerungswürdige Abende im Muwins-Kreis. Es wurde dann genau einer, und so richtig gut fand ihn keiner von uns. Der grösste Störpunkt war ganz klar das alles andere als reibungslose Ineinandergreifen von Simulationsaspekt und Brettspiel- bzw. Worker-Placement-Mechanismen. Sämtliche Aktionen an Bord – vom Blick durchs Periskop über den Gang zur nächsten Station bis hin zum Drehen am Ruder – kosten eine Aktivierung. Davon hat jeder Matrose aber weniger als eine Handvoll pro Schicht (sechs Stunden) zur Verfügung, bevor er erschöpft ist. So kommt es, dass Maschinist Uffe das U-Boot auftauchen lässt, eine neue Geschwindigkeit festlegt, zum Rauchen kurz an die frische Luft geht – und bereits am Ende seiner Kräfte ist. Das allein hat uns schon fast die ganze Immersion verdorben. Die Auslastung der einzelnen Spielerrollen ist auch sehr unterschiedlich: Während der App-handhabende Erste Offizier in praktisch jede Aktion eingebunden ist, haben andere nach Aufgabenzuweisung zu Schichtbeginn oft lange gar nichts mehr zu tun.
Mittlerweile haben die Autoren zwar insbesondere die Aktivierungsregeln etwas angepasst und ein überarbeitetes Regelwerk nachgeliefert. Ich fand unsere Jungfernfahrt jedoch so ernüchternd, dass es mich aktuell trotz des stimmungsvollen Materials so gar nicht reizt, damit erneut in See zu stechen. Da es meinen Kollegen hier ganz ähnlich geht, sehe ich auch nicht, mit wem ich das Spiel in Bälde nochmals angehen sollte. Die Einstiegshürde ist nämlich nicht ohne (jeder Offizier hat mehrere Seiten mit rollenspezifischen Regeln zu verinnerlichen) und das Spiel setzt aufgrund seiner Komplexität eine konstante Gruppe voraus. Auch erwies sich für uns der Simulationsaspekt als zu langatmig und spielflusshindernd umgesetzt. Feste Spielgruppen, die sich auf das Thema sowie die simulationsbedingte Dynamik einlassen und bei der Verzahnung der Mechanismen ein Auge (oder eineinhalb) zudrücken können, finden hier eventuell ein tolles Erlebnis. Was mir bleibt, ist der Eindruck eines irgendwie unfertigen, unzureichend getesteten und letztlich überambitionierten Spiels.
Duell im Dunkeln (Pilot Games / Z-Man Games, 2007)
Wir bleiben beim 2. Weltkrieg, gehen nun aber an Land bzw. in die Lüfte. Das Duell im Dunkeln (Friedemann de Pedro) ist für zwei Spieler konzipiert, wobei der eine die Kontrolle über eine britische Bomberstaffel übernimmt und damit nächtliche Angriffe auf Deutschland fliegt, während der andere dieses mittels Abfangjägern, Flak, usw. zu verteidigen versucht. Auch dieses Spiel punktet optisch mit einigen Schmankerln: So kommen etwa Flugzeuge und Wolken auf kleinen Ständern daher, was dem taktischen Katz- und Mausspiel auf dem Spielfeld einen attraktiven 3D-Effekt verleiht.
Womit es bei mir aber nicht wirklich punkten kann, ist das Thema. Ich meine damit nicht den zweiten Weltkrieg an sich, sondern ganz spezifisch die Luftangriffe – zumindest so, wie sie hier dargestellt sind. Gerade bei Spielen mit realhistorischem Hintergrund ist es für mich wichtig, dass mich dieser auch ein Stück weit fesselt. Am einfachsten scheint dies zu gelingen, wenn dabei auf eine persönliche Ebene herangezoomt wird. So, wie bei Combat Commander, wo ich einzelne Einheiten ins Feld schicke, aus wenigen Soldaten bestehend, zum Teil sogar mit eigenen Namen versehen. Oder wie bei V-Commandos, wo ich mit meinem Infiltrations-Spezialisten möglichst ungesehen durch feindliche Anlagen schleiche. Oder wie im Prinzip eben auch bei obigem U-BOOT, wo wir versuchen, unsere überschaubare, durch individuelle Portraits und Fähigkeiten personalisierte Crew lebend durch einen Einsatz zu führen.
Hier fällt mir das hingegen schwer. Ich kontrolliere Flugzeuge. Maschinen. Und dann soll ich deprimierenderweise auch noch ganze Städte bombardieren, bzw. versuchen, dies zu verhindern (was dann bei Misslingen noch deprimierender ist). Das Thema und dessen Umsetzung dürften also der Hauptgrund sein, weshalb Duell im Dunkeln, seit ich es vor einigen Jahren günstig aus zweiter Hand erstehen konnte, bei mir ein Schattendasein fristet. Dwell in the Dark statt Duel in the Dark, quasi. Nicht ein einziges Mal ist es auf meinem Tisch gelandet. Dies, obwohl ich einige der Mechanismen durchaus mag: Bluffen, geheimes Programmieren des Zuges, asymmetrisches Spieldesign… Anders als bei U-BOOT liegt es hier also nicht wirklich am Spiel selbst, dass ich es ausmiste. Die Konkurrenz im 2-Spieler-Segment dieser Gewichtsklasse ist schlicht zu gross bzw. thematisch fesselnder, egal, ob auf dem heimischen Regal oder auf dem stets mit Neuheiten lockenden Brettspielmarkt.
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Welche Spiele mussten eure Sammlung vor Kurzem verlassen? Und warum?
Und genau deswegen behalte ich mein Duell (noch): Damit wir beide ihm seine erste Chance geben können!
Für mein U-Boot sehe ich allerdings ehrlich gesagt – trotz Hammerausstattung – auch eher Meerestiefenschwarz…
Puh, gerade vor der Spielemesse in Essen müsste ich eigentlich mal wieder einen Herbstputz machen. Alle Schränke, Schubladen und Geheimfächer sind mit Spielen vollgestopft. Am besten wäre es, ich würde nach Kartongröße ausmisten. Da gibt es zum Beispiel Age of Mythology von 2003 bei dem jeder Spieler ein Volk mit unterschiedlichen Fähigkeiten übernimmt, Armeen aushebt, Gebäude baut. Das Computerspiel hab ich geliebt. Aber bei Brettspiel ist das Kampfsystem so mies. Großer Karton – weg damit. Oder Grand Conquest – Kamele, Katapulte, Festungen, Strategie pur, hört sich super an, nur bin ich für die Regeln zu blöde.
Und das Kampfsystem von Cry Havoc finde ich echt super, das Spiel kommt aber niemals nicht auf den Tisch. Keine Ahnung woran das liegt. Vielleicht braucht das nochmal ne Chance.
Oder Eclipse. Tolles Weltraum 4x Spiel, aber es läuft immer auf den großen Knall am Ende heraus. Jeder baut, forscht, wirtschaftet vor sich hin. Keiner traut sich aus seienm Häuschen raus und in der letzten Runde BÄMM. Sehr großer Karton – behalte ich trotzdem…
Hab mir grad mal Grand Conquest auf BGG angesehen – die Cover-Illustration ist ja mal… kultig, haha! Und da gibt es ja Zugbrücken zum Hochklappen… Wo bleibt die Kickstarter-Neuauflage?
also sollte ich es doch behalten? Habe gerade nochmal auf der Deutschen Seite nachgeguckt da steht doch tatsächlich „da die Originalregeln in vielen Fällen interessante Spielansätze nicht berücksichtigen konnten, damit die Regeln nicht zu kompliziert werden. Wie würde Donald Benge sagen? „Kiss“ (Keep it simple, stupid!).
Ich bin also wirklich offiziell zu blöde…
Muss nicht sein – Ruhm für Rom lag bei mir auch erst drei Jahre rum, weil ich es beim ersten Regelstudiumsversuch nicht gleich schnallte. Ob du es aber behalten solltest, ist eine andere Frage. Cooles Spielmaterial allein reicht halt noch nicht aus (siehe U-Boot).
Bin erst seit 2 Jahren im Brettspielfieber, hatte jedoch ein paar Fehlkäufe. Wo kann man in der Schweiz Spiele abservieren? Habe auf BGG nichts gefunden.
Ja, bgg ist etwas schwierig als Schweizer. Ich versuchs manchmal auf Ricardo. Ansonsten gibt’s auf unknowns.de (deutschsprachiges Brettspielforum) auch einen Marktplatz, ist halt aber eher Deutschland-zentriert. Für die Schweiz fehlt so eine spezifische Plattform leider.
Tja, dass ist dann ja wohl ein Auftrag an die muwins so eine Plattform aufzubauen. Genug Material für die ersten Verkäufe habt ihr ja wohl, oder?