Ich höre sie, die Gedanken der griesbärtigen, graugrämigen Brettspielkennerveteranen da draussen: „Boah, Peter, was packst du hier für ’ne olle Kamelle aus! Schreib doch besser was zum neuen Feld!“ Ähnlich klingen da wohl auch jene Kultisten des Neuen, die nur zu ihrem Kick kommen, wenn sich die Anzahl der Leute, die vor ihnen ein Bild oder Unboxingvideo ihres neuen Spiels ins Netz stellten, noch im einstelligen Bereich bewegt. Aber mir ist Schnuppe, was sie alle denken. Denn einige nicht mehr ganz taufrische Titel haben es einfach verdient, dass man sie erfahrenen Brettspielern mal wieder in Erinnerung ruft – oder auf dem Radar von Hobbyisten, die noch nicht so lange dabei sind, auftauchen lässt. Und um so einen geht es hier jetzt.
Dabei ist Ruhm für Rom (Carl Chudyk, Lookout Games) noch gar nicht sooo alt: 2005 erschien die englische Erstausgabe, 2011 dann die deutsche. Aber selbst acht Jahre sind in der kurzlebigen Brettspielwelt schon eine halbe Ewigkeit, ein Alter, in welchem die meisten Titel bereits zum Anklopfen an der Tür des Vergessens ausholen. Der Prozess wird noch beschleunigt, wenn das Spiel seit längerem vergriffen und eine Neuauflage nirgendwo in Sicht ist. Aber dafür sind wir ja da: Die MUWINS, euer verlässliches Auffangnetz für Brettspielperlen jeglicher Kulör und Datierung… *räusper*
Zurück zum Spiel. In Ruhm für Rom bauen wir die durch einen Brand verwüstete Stadt wieder auf. Gewinnen tut, wer am Ende die meisten Einflusspunkte durch erstellte Gebäude generiert hat, wobei es noch Extrapunkte für unterschlagene Baumaterialien und gewisse Bauten geben kann. Das klingt so weit, so altbacken. Das Spiel hat es aber nicht umsonst kürzlich in meine Top 3 Spiele mit Städtenamen geschafft, besticht es doch durch einen hohen Grad an Muwinshaftigkeit:
Ruhm für Rom basiert auf clever entworfenen Karten.
Jede von ihnen hat nämlich drei mögliche Funktionen: Wir können sie als Fundament für das entsprechende Gebäude, zur Ausführung der Aktion ihrer Rolle (siehe Bilder unten) oder einfach als Material für eine unserer Baustellen nutzen.


Ruhm für Rom erfordert prinzipiell simple, aber weitreichende Entscheidungen.
Bin ich am Zug, habe ich eigentlich nur zwei Optionen: Entweder spiele ich eine Karte für ihre Rolle aus und führe die entsprechende Aktion durch. Oder ich „denke nach“, d.h. ich ziehe neue Handkarten nach.

Ruhm für Rom ist interaktiv und potentiell gemein.
Der Clou an diesem Spiel ist nämlich die „Folgen-Mechanik“. Spiele ich eine Karte für ihre Rolle aus, kann erstmal jeder am Tisch entscheiden, ob er mir folgt: Dazu muss die gleiche Rolle ausgespielt werden. Alternativ dürfen die Mitspieler auch einfach „nachdenken“ (s.o.). Haben sich alle entschieden, führe ich als erster die Aktion aus, dann reihum die anderen.
Nehmen wir als Beispiel hierfür den Legionär. Er erlaubt es mir, ein bestimmtes Material zu verlangen – d.h., ich kann eine entsprechende Karte aus dem Umschlagplatz (dem Sammelort aller zuvor gespielten Rollenkarten) nehmen und zusätzlich müssen mir meine beiden Nachbarn je so eine Karte geben, falls sie eine auf der Hand haben. Spiele ich also den Legionär, muss sich Spielerin drei oder vier in der Runde schon gut überlegen, ob es sich für sie noch lohnt, mir zu folgen – der Umschlagplatz wird, bis sie dran ist, schon etwas gelichtet sein, die Nachbarn wohl ein bisschen gerupft… da bleibt eventuell nichts Interessantes übrig. Der Legionär ist diesbezüglich wohl die extremste Rolle, aber auch andere haben Einfluss auf die Optionen meiner Mitspieler.

Nebst den Rollenkarten erlauben uns auch gewisse Gebäude, Einfluss auf unsere Gegner zu nehmen. Sobald wir nämlich eines fertigstellen, können wir dessen Funktion nutzen. Dabei handelt es sich teils um einmalige, teils um andauernde Boni.

Ruhm für Rom ermöglicht fette Kombos.
Einerseits tut es das mit Gebäudefunktionen, die sich zum Teil gegenseitig verstärken. Regelmässiger geschieht dies aber mit den „Klienten“: Mit der Patron-Aktion dürfen wir eine Karte vom Umschlagplatz nehmen und zu einem Klienten machen. Zukünftig kann ich mit diesem quasi anderen Spielern – und auch mir selbst – folgen, wenn ich oder sie die Rolle des Klienten als Aktion ausführen. Habe ich mehrere Klienten dieser Sorte, kann ich das sogar mehrmals im selben Zug – so lässt sich dann z.B. mit dem Handwerker in einer Runde ein Gebäude fertigstellen, was ohne Klienten bis zu vier einzelne Aktionen benötigen würde.

Ruhm für Rom lässt niemanden warten.
Durch die Folgen-Mechanik gibt es praktisch keine Downtime. Alle am Tisch sind in jeden Zug ihrer Mitspieler involviert. Natürlich, bei fortgeschrittener Partie dauern einzelne Spielzüge vielleicht mal ein bisschen länger – wenn man sich etwa eine dicke Klientenbasis angelegt hat, die auch abgehandelt werden will. Aber selbst das ist nie ausufernd, zumal es dann in der Regel zügig aufs Ende zugeht.
Ruhm für Rom erlaubt diverse Strategien und Endbedingungen.
Meist endet eine Partie, sobald eine bestimmte Menge an Gebäudefundamenten jedes Materialtyps verbaut wurde. Oder wenn der Nachziehstapel durch ist. Und dann gibt es noch zwei Gebäude, die das Spiel bei Fertigstellung sofort beenden können. Dabei geht es in der Regel ganz gemächlich los, schliesslich will man sich erstmal ein paar Boni durch Gebäude sichern und eine Klientel aufbauen. Wie und in welcher Reihenfolge man was macht, ist oft kartenabhängig – ich kann nur bauen, was ich auch auf der Hand habe. Ich muss bauen, um Einflusspunkte zu erhalten, denn diese bestimmen mein Klientenlimit. Also baut man halt nicht immer optimal oder wünschenswert und bekommt manchmal entsprechend eine Strategie aufgedrängt. Das passt nicht jedem Spielertyp, persönlich mag ich aber diese Ausgangslage à la „mach das Beste draus“ und die damit verbundene Herausforderung. Zumal, wenn die Dauer des Spiels überschaubar bleibt, was hier meist der Fall ist.

Ruhm für Rom ist immer wieder anders.
Es befinden sich mehr als 40 verschiedene Gebäude im Spiel (je nach Wert in drei- oder sechsfacher Ausführung), ein Spieler baut aber meist nicht mehr als 6 bis 8 pro Partie. Dieser Umstand und die zufällig verteilten Karten zu Beginn sorgen für stets neue Ausgangssituationen. Ganz zu schweigen davon, was sich aus dem Zusammenspiel der Leute am Tisch ergibt.
Ruhm für Rom ist also ein perfektes Spiel.
Nein. Es hat durchaus auch seine Schwächen. Der Einstieg ins Spiel gestaltet sich etwas holprig, was einerseits am teils seltsam strukturierten Regelheft, mehr wohl aber an der ungewöhnlichen Kernmechanik des Folgens und seiner Implikationen liegt. Auch die Verzahnung der einzelnen Elemente (Rollen und ihre Aktionen, Klienten, etc.) will erst einmal durchschaut werden. Nach zwei-drei Runden flutscht es dann aber meist ordentlich – und in einer Beziehung sogar zu sehr: Die Spielertableaus sind viel zu klein. Da werden nämlich im Verlauf einer Partie immer mehr Karten von allen Seiten drunter geschoben, was recht schnell recht fummelig wird. Auch ihr Design, das zwar durchaus funktional ist, wirkt im Vergleich zu den oft humorvoll umgesetzten, an Asterix erinnernden Kartenillustrationen öde und uninspiriert.

Bezüglich Spielgeschehen gibt es wohl drei Punkte, die nicht allen munden werden. Da wäre das bereits angesprochene Zufallselement der Handkarten bei Spielbeginn. Je nach Konstellation findet man spürbar leichter oder schwerer in eine Partie. Das ist insofern relevant, und damit kommen wir zu Punkt zwei, als das Spiel keine Catch-Up-Mechanismen bietet: Hat ein Spieler erst seine Baumaschinerie in Gang gebracht (meist dank Klienten und nützlichen Gebäudeboni), ist er kaum noch zu stoppen – sofern seine Mitspieler nicht auch schon so weit sind oder fokussiert zusammenarbeiten. Dass eine Partie zu diesem Zeitpunkt meist sehr flott auf das Ende zusteuert, mildert diese Problematik zwar etwas ab, je nach Spielertyp birgt sie aber dennoch Frustpotential. Der letzte und wohl offensichtlichste Reizpunkt betrifft die Funktionen der Gebäude. Zweifelsohne sind einige davon übermässig stark, während andere nur höchst spezifische und wenig nützliche Boni bringen. Wirklich gebalanced ist die Chose also nicht.

Ruhm für Rom ist ein Rohdiamant mit Kanten und Ecken, aber auch ganz viel Charme.
Ja. Ruhm für Rom hat – v.a. aufgrund der Gebäudefunktionen – etwas Chaotisches und Wildes, wirkt ungezähmt, kann genauso euphorisierend wie auch (seltener) frustrierend sein und ist, in vielerlei Hinsicht, immer ein bisschen unberechenbar. All diese Charakteristika scheint der Autor mit seinen späteren Titeln Uchronia (2012) und Mottainai (2015) nach und nach aus- bzw. weggebügelt zu haben (ich habe sie selbst nicht gespielt, berufe mich daher auf Rezensionen und Spielberichte). Doch so sehr ich ein geschmeidiges, sauberes Spieldesign zu würdigen weiss, so sind es doch obgenannte Charakteristika, die mein Spielerherz schneller und heftiger schlagen lassen – und die mich Ruhm für Rom auch nach Jahren immer mal wieder aus dem Regal holen lassen. Verdienterweise.

Es ist halt ein Rohdiamant 🙂
Wenn die Tableaus größer wären, gäbe es je nach Tisch Platzprobleme. Sehr hilfreich ist es, sie „aufzubocken“, z. B. durch einen Magneten mittig unter dem Tableau und einer Mutter (oder einem anderen kleinen metallischen Gegenstand) oben drauf. Schon lassen sich Karten wesentlich einfacher unter das „schwebende“ Camp schieben.
Danke für den Tipp. Werde sowas wohl mal ausprobieren.