„Hereinspaziert, hereinspaziert! Willkommen in…“ – und weiter komme ich jeweils gar nicht mit meiner Einleitung zu Meeple Circus, bevor alle am Tisch bereits damit beginnen, Meeple, Tiere und allerlei Gegenstände aufeinander zu stapeln. Es scheint etwas ganz Instinktives zu sein, ein Reflex beinahe schon, etwas, wogegen sich niemand wehren kann. Und warum sollten sie auch?
Denn die meisten von uns haben wohl eine nicht unbeträchtliche Menge an Zeit in ihrem Leben damit verbracht, bunte Klötzchen aufzutürmen – und hatten dabei Spass. Nicht nur als Kleinkind mit Holzbausteinen und etwas später dann mit Lego. Nein, auch als Erwachsener können wir uns diesem Reiz, vor uns liegendes Baumaterial nicht einfach zu ignorieren, sondern damit etwas zu erschaffen, anscheinend nur schlecht entziehen. Nicht zuletzt sieht man das auch in jeder Brettspielrunde, gibt es doch immer mindestens eine Person am Tisch, die ihr Spielmaterial während des Auftritts des Erklärbären nicht nur adrett anordnet, sondern stark versucht ist, damit kreativ zu werden. Bei Meeple Circus (Cédric Millet, Matagot / Pegasus) ereilt diese Versuchung jeden. Und das ist auch gut so, denn hier gibt es dafür Punkte zu gewinnen!

Eine Partie ist in drei Akte unterteilt – zwei Proben und eine Hauptaufführung -, die grösstenteils ähnlich ablaufen: Wir erhalten als erstes neues Material in Form einer Auswahl von Akrobaten, Tieren und Requisiten wie Balken, Fässern sowie Bällen. Dann folgt eine auf zwei Minuten begrenzte Phase, in der wir alle gleichzeitig unser Material möglichst punktebringend in unserer persönlichen Manege aufeinander stapeln. Das bedeutet hier, dass wir versuchen, erfolgreich Konstrukte zu bilden, welche durch die ausliegenden Publikumskarten vorgeben werden. Als letztes folgt die Auswertungsphase, in der wir Punkte für erfüllte Zuschauerwünsche und die richtige Positionierung farbspezifischer Meeple bekommen.

In Akt II wählt sich jede Möchtegernzirkusdirektorin zudem einen Gaststar aus, den es auf ganz eigene Weise in die Aufführung einzubauen gilt. Muskel Mike etwa sollten wir zuunterst im Stapel unterbringen, möchte er doch mit seiner Stärke angeben, wohingegen der Clown hoch hinaus will und als letzte Aktion von der Spitze unserer Konstruktion geschnippt werden muss – idealerweise natürlich ohne, dass diese dabei einstürzt. Gelingt uns das, gibt es auch dafür Punkte. Der abschliessende dritte Akt wird dann ganz persönlich: Nicht nur bauen wir hier alle nacheinander, unter den wachsamen und belustigten Augen unserer Konkurrenten, wir müssen dies zudem unter speziellen, teils sehr unterschiedlichen Bedingungen tun. Jeder wählt nämlich eine persönliche Herausforderung, welche technischer oder spassiger Natur sein kann. So halten uns Erstere z.B. dazu an, nur noch eine Hand zum Bauen zu benutzen oder auf den Einsatz unserer Daumen zu verzichten, während wir bei Letzteren zu jedem verbauten Akrobaten eine Anekdote zum Besten geben oder uns während der Darbietung mehrmals erheben und vor dem Publikum verbeugen müssen.

Als Timer während den Aufbau- bzw. Auftrittsphasen dient uns übrigens waschechte Zirkusmusik, die per App zur Verfügung steht. Ja, genau, rä-tä tärä-tärä täm täm täm täm…! Es ist immer wieder erstaunlich, wie viel diese zum Spielgefühl beiträgt: Sie wirkt dabei nicht nur als atmosphärische Untermalung, sondern transportiert wirklich einen spürbaren Hauch Zirkusstimmung auf den Tisch.

Ich habe in den letzten Jahren so einige Geschicklichkeitsspiele für den Wohnzimmertisch kennengelernt. Bausack, der Klassiker mit den klassischen, aber halt auch etwas langweiligen Komponenten, der ein nettes, aber eben auch etwas langweiliges Spielerlebnis bietet. Katakomben, das mich mit seinem Dungeon-Crawler-Thema einfing, sich aber in dessen Umsetzung als viel zu langwierig entpuppte. Ganz änhlich ging es mir auch mit Flick `em Up, das wahlweise im lustig aufbereiteten Western- oder Zombiestil daherkommt, sich dann aber zu friemelig spielt, wodurch kein passender Spielfluss aufkommt. Dann gibt es noch Men at Work und Tokyo Highway, bei denen ebenfalls eifrig gestapelt wird und die dadurch fast in dieselbe Kerbe hauen wie Meeple Circus. Aber eben nur fast – denn während diese beiden cleveres Vorgehen sowie zielgerichtete Planung vom Spieler verlangen und durch die gemeinsame Baustelle faszinieren, steht bei Meeple Circus etwas anderes, viel rudimentäreres im Vordergrund: Spielspass!

Oh, ich gebe zu, Thema und Musik in diesem Spiel sind albern. Ja, einige der Spassherausforderungen im dritten Akt sind sogar besonders albern. Und als ich mir Meeple Circus zum ersten Mal anlässlich der Spiel ’17 näher ansah, schaffte es den Sprung auf meinen Einkaufszettel nicht, weil ich dachte, es sei bestimmt – ihr ahnt es – zu albern. Zu simpel gestrickt. Man stapelt Meeple und andere Holzteilchen, wo sollte da der Reiz liegen? Zumal ich ohnehin nicht besonders geschickt bin, erst recht nicht, wenn mir andere dabei auf die Finger schauen. Aber genau diese einfache Albernheit ist seine Stärke, und das Spielerlebnis wird hier nicht wie bei obgenannten Genrekollegen durch detailliertes Planen oder langatmige Züge unnötig beschwert.
Vielmehr dürfen wir stapeln, wie wir lustig sind, und brauchen uns keine Strategie zurechtzulegen. Das einzige strategische Element ist die Auswahl der Materialplättchen, bei der man schauen sollte, dass man auch zu Requisiten kommt, mit denen sich die Zuschauerwünsche erfüllen lassen. Das war’s. Für den Rest des Spiels dürfen wir einfach das machen, was uns bereits als Kind und anscheinend auch heute noch fasziniert: Klötzchen aufeinanderstapeln, sie dabei kreativ anordnen und so hoch wie möglich auftürmen, ohne dass alles einstürzt. Und wenn es das tut, lachen die Mitspieler. Und ich lache mit, denn sie stellen sich auch nicht wirklich geschickter an. Ja, wir lachen über unser aller Ungeschicktheit, und darin liegt das Schöne an diesem Spiel: Man kann wundervoll versagen, und dennoch jede Menge Spass haben.

Meeple Circus gehört zu den Spielen, die man gespielt haben muss, um zu wissen, ob es einem gefällt. Ich wollte es erst als „zu simpel, zu albern“ abstempeln und wurde am Tisch eines Besseren belehrt. Andere Mitspieler fanden es in der Praxis tatsächlich zu albern, und das ist auch ihr gutes Recht (selbst, wenn sie einfach schlechte Verlierer sind, aber pssst!). Meeple Circus ist bestimmt kein abendfüllendes Spiel, aber es bietet wunderbar unterhaltende 45 Minuten für Leute beinahe jeglichen Alters, die sich und ihre Konstruktionen nicht zu ernst nehmen und auch mal über eigenes Missgeschick lachen können. Und schliesslich bietet Meeple Circus einfach unbeschwerten Spielspass, bei dem wir unser Gehirn mal abschalten und uns stattdessen von seiner albern angehauchten Zirkusatmosphäre anstecken lassen können, um so zu spielen, wie wir es als vom Ernst des Alltags geplagte Erwachsene vielleicht öfter mal tun sollten: instinktiv, unbekümmert, albern und ohne allzu viel über etwaige Konsequenzen – sprich kurz vor Ablauf des Timers einstürzende Stapel – nachzudenken. Oder anders gesagt, macht euch doch einfach mal wieder zum Clown!
Das meinen andere Hochstapler:
Matthias: An Ideen mangelt es mir nicht, wenn ich die nächste Aufführung plane. Dummerweise stellen sich meine Akrobaten oft zu ungeschickt dar und nach Ablauf der zwei Minuten liegen sie alle im Sand der Manege. Kein Problem. Das Spielchen macht mir trotzdem Spass und die überschaubare Spieldauer passt. An der dritten Runde stört mich die lange Wartezeit mehr als die albernen Ziele. 8 Minuten da sitzen und die Mitspieler anfeuern, fühlt sich wie eine langweilige Nummer mit Zwerghamstern im Zirkus an.
Benjamin: Ich habe ja kürzlich mein Urteil über Meeple Circus recht prägnant zum Ausdruck gebracht – gebe aber gern zu, dass diese Kürzestrezension dem Spiel dann doch nicht so ganz gerecht wird. Eher im Gegenteil. Eine (!) Runde Meeple Circus macht Spass, und auch als Grobmotoriker bereiten einem die definitiv zu erwartenden Misserfolge und Peinlichkeiten keine grösseren Kopfschmerzen oder Egoeinbussen. Dazu macht einfach die Zirkusmusik zu viel Laune – und wenn Matthias beim Einzug der Tiere erst mal mit jedem Vieh einzeln rund um die Manege traben muss, dann ist der Unterhaltungswert für die Konkurrenz unüberschau- und -hörbar. Allerdings: Der dritte Akt kann, je nach Aufgabenstellung, bis zu derart albern werden, dass die Grenze zur Doofheit schon mal mehr als nur geschrammt wird. Wem sowas nichts ausmacht, hat mit Meeple Circus viel Spass. Einmal pro Abend.
Anmerkung: Einige der Spielkomponenten auf den Bildern stammen aus der Erweiterung Meeple Circus: The Wild Animal & Aerial Show, welche u.a. zusätzliche Gaststars sowie Herausforderungskarten für Akt III beinhaltet.
Hi, etwas off-topic aber was solls:
Wir waren am Wochenende bei einer Theater (Zirkus-) Aufführung von Nicole et Martin. Einer schweizer Familie, die durch ganz Euroipa fährt und in ihrem weißen Zelt sehr gelungen alte Märchen vorspielt.
Kennt ihr die schon? Falls nicht, guckt mal hier bei den Toudaten: https://nicole-et-martin.ch/de/tourtickets/2019/
Sie sind bald wieder in der Schweiz unterwegs. Ist bestimmt bei euch in der Nähe. Die Schweiz ist ja nicht so groß.
Ist wirklich sehr schön und für die ganze Famile (ab 5 Jahren).
Und ab und zu stapeln sie sich auch.
Grüße, axelsohn