Der König ist tot! Und wie es sich in unserer durch Game of Thrones geprägten Zeit gehört, wird ihm maximal eine halbherzige Träne nachgeweint: Denn schliesslich gilt es, den majestätischen Chefsessel neu zu besetzen – idealerweise mit uns selbst!
Was ist es?
Claim (Scott Almes; Game Factory) ist ein Stichspiel für zwei Personen und dadurch schon mal etwas nicht ganz Alltägliches. Als jemand, der in der Schweiz aufwächst – zumindest in meiner Generation – kommt man kaum ums Jassen (bzw. Schafkopfen, für unsere Landesnachbarn) herum: Sei es bei den Grosseltern oder später mit Freunden um kleine Geldbeträge oder Bier, irgendwann spielt es jeder und jede einmal. Dieses traditionelle Stichspiel kennt x Varianten für 3- und 4-Spieler-Partien, aber was, wenn man bloss zu zweit ist? Hier schafft Claim Abhilfe, und zwar auf clevere und unangestaubte Art.
Was tut man?
Unser Ziel ist es, am Ende des Spiels neuer König zu werden, indem wir von mindestens drei der fünf enthaltenen Fraktionen mehr Karten als unser Gegner besitzen. Diese häufen wir während zwei klar getrennten Spielphasen an:
In Phase 1 spielen wir Runde für Runde um eine Karte, die offen ausliegt. Der Gewinner kriegt diese, der Verlierer erhält die (unbekannte) oberste Karte des Nachziehstapels. Die ausgespielten Karten verlassen das Spiel, die gewonnenen legen wir zur Seite für Phase 2.

In Phase 2 bildet unsere persönliche Beute aus Phase 1 unsere Kartenhand. Jetzt wird im Prinzip ganz normal gestichspielt und der Gewinner jeder Runde erhält beide gespielten Karten. Am Ende vergleichen wir, wer von welcher Fraktion mehr Karten ergattern konnte und sich so deren Unterstützung sichert.
Natürlich wäre das alles nur halb so witzig, wenn die fünf Gruppierungen sich nicht durch spezielle Fähigkeiten unterscheiden würden. So wandern z.B. in Phase 1 gespielte Untote direkt auf den finalen Punktestapel des jeweiligen Rundengewinners, Zwerge werden in Phase 2 vom Rundenverlierer eingesackt und Doppelgänger können immer gespielt werden, da sie die vorgelegte Fraktion imitieren.
Wie fühlt sich das an?
Wie praktisch jedes Stichspiel ist natürlich auch Claim schon nur durch die Kartenverteilung ein gutes Stück weit von Zufall geprägt. Andererseits bieten die Spielmechanismen genügend taktische Interventionsmöglichkeiten, um das Geschehen in befriedigendem Mass mit unseren eigenen Entscheidungen zu beeinflussen – sei es mit geschickt genutzten Fähigkeiten der einzelnen Fraktionen oder etwa durch gutes Timing. Selbst mit einer relativ schwachen Hand in Phase 1 ist noch nichts verloren: Schliesslich liegen auch mal schlechte Karten aus, und diese will man ja nicht unbedingt in die zweite Phase mitnehmen. Und wer es schafft, im Kopf einigermassen den Überblick darüber zu behalten, wie viele Karten welchen Typs in Phase 1 das Spiel bereits verlassen haben, weiss dann halt auch, dass ihm je nachdem bereits zwei Karten genügen, um sich letztlich die Unterstützung dieser Fraktion zu sichern.

Apropos Fraktionen: Hat man das Spiel erst ein-, zweimal gespielt, sind auch deren Eigenschaften verinnerlicht, was ein taktischeres, geplanteres Vorgehen erlaubt. Das ist es auch, was letztlich für mich den Reiz an Claim ausmacht: Man kriegt eine zufällige Kartenhand und dann ist Cleverness gefragt. Und zwar nicht nur für die aktuelle Phase, sondern ebenfalls bereits im Hinblick auf die folgende. Man muss also mit dem Kopf schon bei der Sache sein. Zugleich gerät dieser dabei aber nicht ins Rauchen, was eine Partie sowohl angenehm fordernd als auch angenehm unermüdend gestaltet.
Worin unterscheidet sich Claim 2?
Claim 2 setzt den Besitz des Vorgängers nicht voraus und bietet kurz gesagt mehr vom Gleichen. Das Spielprinzip ist genau dasselbe, nur dass wir hier fünf neue Fraktionen und damit natürlich andere Spezialfähigkeiten erhalten. Wie sich letztere am geschicktesten ins Spiel einbinden lassen, erschloss sich jedoch zumindest mir etwas weniger schnell, d.h. ich benötigte 1-2 Durchläufe mehr als beim Vorgänger, um sie im gegenseitigen Wechselspiel wirklich effizient einzusetzen. Und auch wenn dies die ohnehin nicht sehr hohe Einstiegshürde nur unwesentlich anhebt, würde ich Interessierten trotzdem empfehlen, sich erst mal das „Original“ zuzulegen.

Besitzt man erst beide Spiele, lassen sich diese auch kombinieren. Das führt einerseits zu mehr Abwechslung in Zweierpartien, weil man nun über einen fast beliebig zusammenstellbaren Fraktionscocktail verfügt. Andererseits erlaubt es uns, Claim zu dritt (jeder gegen jeden) oder zu viert (Teammodus) zu spielen. Die beiden Mehrspielervarianten habe ich jedoch noch nicht ausprobiert, weshalb ich diese auch nicht beurteilen kann.
Wer könnte Spass daran haben?
Im Prinzip ist Claim etwas für alle, die Stichspiele mögen und einen cleveren Vertreter davon suchen, der auf zwei Spieler ausgelegt ist. Es setzt sich aus überschaubaren 52 Karten zusammen, die in einer kleinen, überall-hin-mitnehmbaren Schachtel daherkommen und bietet sich so z.B. auch prima für Zugfahrten sowie andere Ausflüge an. Es ist überhaupt ein Spiel, das man fast zu jeder Gelegenheit auf den Tisch bringen kann: Schachtel auf, einmal den Stapel mischen, Karten austeilen, schon kann’s losgehen – und nach 10 Minuten ist eine Partie durch. Wer etwas auf sich hält, spielt natürlich ein Best-of-3, sei es, um sich zu revanchieren, eine neue Strategie zu testen bzw. zu bestätigen, oder einfach aus Spass am Spiel.
Denn dieser ist bei mir auch nach Monaten des immer-wieder-mal-Spielens noch nicht vergangen. Dies beispielsweise im Gegensatz zur „Tiny Epic“– bzw. „Winziges Wasauchimmer“– Reihe desselben Autors, deren Ableger ich zwar aufs Erste witzig, auf Dauer jedoch wenig fesselnd finde. Mit Claim hat Scott Almes ein Spiel geschaffen, welches das, was es will und sein möchte, hervorragend umsetzt: Es ist zugänglich und taktisch spannend zugleich, spielt sich flüssig, weiss durch die lustigen Illustrationen auch optisch zu gefallen und beweist anhaltenden Spielreiz. Mehr kann man sich von so einem leichtgewichtigen Kartenspiel, glaube ich, nicht wünschen.
Andere Claimanten meinen zum Spiel…
Benjamin: Peter hat mir Claim näher gebracht, und er tat dies, indem er mich in einer ersten Partie aufs Übelste vermöbelte. Natürlich konnte ich das nicht auf mir sitzen lassen und forderte Revanche – welche tatsächlich in einem glasklaren zu-Null-Triumph über meinen vormaligen Bezwinger gipfelte. Rückblickend (!) würde ich diesen Erfolg nicht ausschliesslich meinem überbordenden taktischen Genie anrechnen, sondern doch ein wenig auch der Tatsache, dass ich bei JEDEM, wirklich JEDEM verlorenen Duell in Phase 1 als „Trost“ eine verdeckte Karte erhalten habe, die stärker war als die offen ausliegende Beute. Kurz gesagt: Ja, der Glücksfaktor ist in vielerlei Hinsicht nicht zu verachten, was den Spielspass angesichts der Kürze einer Partie aber nicht beeinträchtigt. Dann hetzt man das Gesindel halt gleich nochmal aufeinander. Also die Untoten und Zwerge. Nicht Peter und mich.
