RaXXon – das abstrakte Zombie-Spiel

Ein Zombie-Spiel ganz ohne Minis und Waffen – wenn das mal gut geht… Wie man aber schnell merkt, tut ein bisschen Tile-Placement und Push-your-luck dem Genre ziemlich gut und bringt frischen Wind in die Sache. Ob der jedoch ausreicht, um den anderen Horden die Zeit auf dem Tisch streitig zu machen…?

Unsere Stadt ist längst verloren, überrannt von unendlich vielen Infizierten. Unserem Team wurde eine noble Aufgabe erteilt: Die Evakuierung der letzten gesunden Überlebenden aus der Stadt. Dabei können wir lediglich auf die Unterstützung von Raxxon Pharmaceuticals zählen, die als einzige Organisation in der Lage ist, der Zombieplage die Stirn bieten zu können. Aber Moment, das kommt uns doch irgendwie bekannt vor? Genau, dasselbe Raxxon, das wir bereits aus Winter der Toten kennen – ebenfalls von Plaid Hat Games. Und wie bereits damals, können wir der Firma auch jetzt nicht wirklich trauen. Sie selbst soll für den Zombievirus verantwortlich sein, sagt man.


Evakuieren, töten, unter Quarantäne stellen

Raxxon – das Spiel – ist in seiner Natur sehr abstrakt. Plättchen ordnen, umstellen, austauschen, ablegen – und hoffentlich stets nur das Richtige. Die Spieler sind in jeder Runde einer Meute ausgesetzt – bei vier Spielern zum Beispiel einer 4×4 Meute. Es gilt nun, die verschiedenen Personen zu identifizieren, die Gesunden aus der Stadt zu evakuieren und die Infizierten zu töten – oder unter Quarantäne zu stellen.

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Da liegt schon einiges aus und gerade wurde ein chaotischer Mob aufgedeckt. Verdammt! Denn da schon einer davon ausliegt, müssen zwei weitere verdeckte Karten der Meute hinzugefügt werden (siehe am unteren Rand der Karten).

Die Spieler sind nun reihum dran, Aktionen durchzuführen – zu Beginn der Runde vor allem Untersuchung, sprich Karten umdrehen. Nenene, so einfach ist das ganze leider nicht. Werden zu viele derselben – nennen wir sie politisch korrekt – Sorte umgedreht, passiert meist etwas sehr Schlimmes. Deshalb stehen den Spielern auch noch andere Aktionen zur Verfügung, und zwar so richtig fiese – mit so richtig fiesen Konsequenzen. Denn – und jetzt aufgepasst, es folgen nämlich geschätzte 95% des Spiels – wann immer eine andere Aktion als eine Untersuchung vollzogen wird, wird ein Marker auf die jeweilige Aktion gelegt. Das heisst, wenn der Spieler später eine weitere Aktion durchführen will, muss er zuerst die markierten Konsequenzen aller vorher ausgeführten Aktionen durchführen; meist weitere Karten umdrehen oder hinzufügen, ein Raxxon-Karte ziehen (dazu mehr später) oder weitere Infizierte der Meute hinzufügen. Schauen wir uns ein Beispiel an:

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Brian Lee scheut die Meute nicht. Bei jeder weiteren Aktion fügt er DREI Karten der Gruppe hinzu (2 aus der vorherigen Evakuierung und eine durch den Luftangriff).

So drehen die Spieler Plättchen um, tauschen die Positionen, eliminieren hoffentlich Zombies und retten hoffentlich gesunde Mitmenschen – bis alle Spieler passen, da die auszuführenden Konsequenzen einfach zu mühsam werden. Es folgt eine neue Meute, mit – je nach Ausgang der vorherigen Runde – noch mehr Infizierten und so weiter.


Es fehlen noch ganze 29 Überlebende

Stimmt, ganz vergessen: 30 (oder je nach Einfachheitsgrad weniger) gesunde Personen retten und der Sieg ist euer. Das Problem: Diese 30 schwer auffindbaren Personen sind in einem Stapel versteckt, der stetig mit weiteren Infizierten aufgestockt wird. Das Retten von Gesunden funktioniert natürlich genauso wie das Eliminieren oder in Quarantäne Stellen von infizierten Personen. Und so könnte es in einer fairen – wenn auch harten – Welt eigentlich sehr wohl zu und her gehen, wenn da nicht noch Raxxon wäre – oh mann, Raxxon ist so richtig mühsam im doppelten Sinne. Schade! Jaja, ich als sehr thematischer Spieler will den Effort zu schätzen wissen, sehe aber sehr wohl die Kritik ALLER anderen Spieler: SCHON WIEDER EINE KARTE ZIEHEN UND VORLESEN! (pssst… und sei glücklich, ist es lediglich eine Karte. Ich verarbeite gleich zwei.)

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Sie bringen etwas Thematik, Entscheidungen und etwas Frust – aber überzeugt euch selbst…

Wie bereits ganz, ganz weit oben klargestellt: Raxxon spielt eine essenzielle Rolle in diesem Spiel. Sehr wohl stellen ihre überlebenswichtigen Ressourcen eine wichtige Waffe im Kampf gegen die Zombies dar, aber verleiht man der Pharmaindustrie zu viel Macht, ist es dennoch um alle geschehen. Ein Spiel mit dem Feuer quasi. Konkret heisst das: Es werden immer wieder – meist durch vorher ausgeführte Aktionen – Raxxon-Karten gezogen, die die Spieler einen Text vorlesen lassen und vor wichtige Entscheidungen stellen. Wächst die Macht des Unternehmens auf einen kritischen Wert, heisst es Schluss, aus, vorbei. Und auch wenn diese Karten verglichen mit jenen in Winter der Toten kürzer gehalten sind, ist ihr Potenzial, das Spiel gar zu zerstören, immens. Stellen wir uns folgendes – nicht allzu unwahrscheinliches – Szenario vor: Olivia Brown hat bereits zwei Mal die Aktion „Professionelle Quarantäne“ (Schicke bis zu 3 offene infizierte Karten aus der Menschenmenge in die gesicherte Quarantäne) genutzt und möchte weiterhin nicht passen. Jep, sie zieht in jedem weiteren Zug MINDESTENS zwei Raxxon-Karten. Klar, es wird hoffentlich die einzige Spielerin mit diesem Schicksal sein  – aber was, wenn nicht? Und das ist durchaus möglich. Und wenn nicht, SOLL SIE GEFÄLLIGST PASSEN!!!!!!!! JEDES MAL ZWEI KARTEN!?!?!?!?! Ihr seht schon…


Ein etwas verlorenes Zombie-Spiel

Neben all den Kettensägen, furchteinflössenden Minis und superstarken Superhelden wird Raxxon als Zombiespiel kaum eine Chance haben. Denn es ist viel mehr ein abstraktes als ein Zombie-Spiel. Und genau das kommt dem Spiel zugute. Es benötigt weder einen Buchhalter noch vier vollkommen freie Stunden. Es ist kurzweilig, schnell gespielt und einfach das etwas andere Zombie-Spiel, das zugegebenermassen genauso in Mittelerde und mit Orks statt mit Zombies stattfinden könnte. Aber die Art und Weise wie die Meute beeinflusst wird, der Push-Your-Luck-Faktor, der darüber entscheidet, ob man jetzt doch noch eine Karte umdrehen soll oder nicht, das Management über die Aktionen und zu welchen Konsequenzen sie folglich führen – all das passt sehr schön zusammen und macht auch sehr viel Spass. Und auch thematisch hätte dies vollkommen die Pflicht erfüllt – was meiner Meinung nach in The Banishing etwas gar kurz kommt. So weit, so gut.

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Und so sieht das dann in Aktion aus… mit einer Minimeute. Noch.

Aber was halten wir von den Raxxon-Karten? Kommt ganz darauf an: Wie viele Karten von diesem Stapel gezogen werden hängt stark mit der Charakterwahl und dem Spielverlauf zusammen, und die Rolle der Karten kann dementsprechend auch von nebensächlich bis zu richtig mühsam variieren. Was für mich tatsächlich ein Problem darstellt: Die Taktik wurde nicht selten an die zu ziehenden Raxxon-Karten angepasst – obwohl diese für das Spiel an sich nicht allzu schlimm wären. (Nein, ich evakuiere jetzt nicht, sonst muss ich dann immer Karten ziehen.) Und dies spricht leider kaum für das Spiel. Schade! Denn auch wenn die Karten etwas Thematik und Entscheidungen in das Spiel bringen, sind sie je nach Situation sehr fehl am Platz. Es ist womöglich die Diskrepanz zwischen abstraktem Spiel und möchte-gern-thematischen Karten, die mich etwas frustriert, denn das Spiel läuft ohne Raxxon sehr flüssig und schnell. Und es hätte diese etwas aufgezwungene Zusatz-Thematik gar nicht nötig. Aber he, wem es nichts ausmacht, Texte zu  lesen und auszuführen, der ist mit Raxxon als alternativem Zombie-Spiel sicherlich gut bedient!

Wie hat sich die Jagd für die restlichen Muwinser angefühlt?

Yves: Raxxon macht vieles besser als The Banishing. Der Grundmechanismus, das Retten der „Menschen“, fühlt sich runder an. Zudem zockt es sich viel spannender. Grundsätzlich besitzt es alle Eigenschaften eines tollen, kooperativen Spiels. Wenn nur nicht diese doofen Karten wären… Mir ist es sowas von egal, wie korrupt die Firma Raxxon ist, ob sie nun ein Gegenmittel entwickelt hat oder ob sie profitgeil wirtschaftet. Für ein kurzes kooperatives Kartenspiel ist diese Hintergrundgeschichte gar nicht notwendig. Sie frisst zu viel Zeit! Vielleicht müssten wir es einmal ohne Raxxon-Karten versuchen. Das klappt sicher!

Benjamin: In Raxxon sollte ganz offensichtlich die Crossroads-Mechanik aus Winter der Toten um jeden Preis neu verwurstet werden. Wie das Abhandeln der Karten in Sekundenbruchteilen jeglichen Spielfluss von 100 auf 0 bremst, tut schon beim Zuschauen weh. Schade.

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