Der Weltraum – unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2018. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise, das mit seiner vierhundert Mann [!] starken Besatzung fünf Jahre lang unterwegs ist, um neue Welten zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen. Viele Lichtjahre von der Erde entfernt, dringt die Enterprise in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat. OOOOOOH OOOOOOH OOOH OH OH OH OOOOOOOOH…..
Das Intro ist Kult, das Raumschiff ist Kult, Pille, Scotty und Kirk sind Kult, Uhura ist Kult, die Klingonen sind Kult und Spock ist Oberkult. Dennoch existieren erstaunlich wenige Brettspiele zum Phänomen Star Trek – und jene, die es gibt, sind nicht besonders gut, beziehungsweise nicht besonders startrekkig, beziehungsweise liessen sie sich auch als x-beliebige (!) sonstige Weltraumopern verkaufen.
Wir schreiben das Jahr 2016 – Galeforce 9 hat riesige, blaue Schachteln im Essen-Gepäck (wahrscheinlich gebeamt), auf denen nicht nur das bekannte Flugobjekt prangt, sondern auch noch gleich vier seiner (oder dessen diversen Abkömmlinge – danke an Frank Strauss im Kommentar) wohlbekannten Kommandeure (Angela Merkel, Mr. T, Emmanuel Macron, Ueli Maurer) sowie die immer wiederkehrenden Lieblingsgegner unserer Helden: Klingonen und Romulaner. Star Trek Ascendancy nennt sich das Ganze. Der Verlag hat uns bereits mit Spartacus überrascht, mit Sons of Anarchy und Homeland sehr stark nachgelegt und uns mit WWE Superstar Wrestling sogar Freude an diesem Unsport empfinden lassen. Ein Palmarès, der zweifellos Erwartungen weckt und freudige Unruhe aufkommen lässt, wenn er in einem Atemzug mit Star Trek genannt wird. Erwartungen und Unruhe, die sich auf der Heimreise von Essen beim Rezensenten durch besonders schwere, unförmige Gepäckstücke bemerkbar machten.
Wir schreiben das Jahr 2018 – nach rund eineinhalb Jahren hat die Enterprise die letzte Grenze überwunden und ist auf dem Spieltisch gelandet. Hat es sich für die (dabei involvierte) Menschheit gelohnt, dahin vorzudringen?
Live long and prosper!
Hauptgrund für die lange Reisezeit: Star Trek Ascendancy ist ein zeitintensives Spiel. Die Basiskiste enthält die genannten drei Fraktionen und kann somit höchstens zu dritt gespielt werden. Mittlerweile sind Erweiterungen erschienen (Ferengi, Kardassianer, Borg) und weitere sind in Planung, die höhere Spielerzahlen oder einfach zusätzliche Abwechslung erlauben. Ich beabsichtige persönlich nicht, das Spiel jemals mit mehr als insgesamt vier Völkern zu spielen, denn eben: Star Trek Ascendancy ist ein zeitintensives Spiel. Und ein räumlich ausuferndes…
Dies, obwohl die Box nicht einmal ein Spielbrett beinhaltet. Stattdessen definieren wir einfach einen Bereich unseres Tisches als Universum. Egal, welches Volk wir verkörpern, wir beginnen eine Partie mit gerade mal unserem Heimatplaneten am Rand des Spielbereichs, drei funktionierenden Ressourcenknoten (Kultur, Produktion, Forschung) und drei Raumschiffen. Die Völker erhalten ihre Charakteristiken durch jeweils eine Stärke und eine Schwäche sowie eine von Anfang an verfügbare Technologie. Und da die Interessen der Klingonen anderer Natur sind als etwa jene der Sternenflotte, verfügen alle Völker über individuelle Stapel an Technologiekarten, die neben den Schild- und Waffentechnologien nach und nach entwickelt werden dürfen.

Auch die Siegbedingungen werden den diversen Interessenlagen gerecht. Militärisch gewinnt Star Trek Ascendancy, wer neben dem eigenen zwei weitere Heimatplaneten kontrolliert. Ein Sieg für Wissenschaft, Fortschritt und Kultur ist hingegen dann erreicht, wenn jemand fünf Ascendancy-Marker anhäuft.

Highly illogical…
Kommen wir zur Erforschung des Universums. Dieses ist nämlich absolut flach und besteht aus (scheibenförmigen) Systemen, also Planeten oder Phänomenen sowie Verbindungen zwischen diesen. Trotz dieser kleinen Ungenauigkeit ist der Entdeckungsaspekt besonders gelungen! Die Anzahl der unterschiedlich langen Routen, die von einem System ausgehen kann, ist gemäss Angabe auf der Systemscheibe begrenzt. Erreicht ein Raumschiff das Ende einer offenen Route, wird ein neues System blind gezogen und angelegt. So lange ein solches lediglich eine Verbindung aufweist, befindet es sich in „schwebendem“ Zustand und darf von jedermann um den Ausgangspunkt seiner Verbindung herum gedreht werden. Dadurch entdecken und bauen wir nach und nach gemeinsam das Universum und können dabei strategische Überlegungen anstellen, welche Bereiche möglichst abgeriegelt werden und als Hinterland dienen sollten, und welche Systeme wir als Ausgangspunkte für weitere Expeditionen nutzen möchten.

Dabei müssen wir aber auch immer damit rechnen, dass uns die lieben, zunehmend weniger weit entfernten Nachbarn einen Strich durch die Rechnung machen und mal eben einen unserer noch schwebenden Planeten so rotieren, dass er zur Brücke in unser Hoheitsgebiet wird. Das muss nicht in jedem Fall grundsätzlich schlecht sei, denn eine Verbindung zwischen den Heimatplaneten zweier Völker erlaubt diesen, friedliche Handelsbeziehungen aufzunehmen, die für beide Beteiligten von Vorteil sind.
I am a Doctor, not a …
Um überhaupt neue Bereiche zu entdecken, muss man aber zunächst einmal Raumschiffe aussenden. Diese können einzeln unterwegs sein oder zu Flotten aus mindestens drei Schiffen formiert werden. Flotten lassen sich effizienter bewegen und bieten Vorteile gemäss ihrer Spezialisierung – beispielsweise als Forschungs-, Kampf oder Handelsflotten.

So oder so stehen zwei Fortbewgungsmodi zur Auswahl: Wir können gemütlich mit Impulsantrieb durch die Gegend ruckeln oder per Warpantrieb von System zu System sausen.
So richtig thematische Laune kommt in der ersten Spielhälfte neben den Eigenheiten unseres Volkes vor allem durch das Entdecken neuer Systeme auf. Handelt es sich bei der neu angelegten Scheibe um ein Phänomen, müssen die eintreffenden Raumschiffe dessen Gefahren trotzen. Sind sie dabei erfolgreich (bessere Schilde helfen enorm), unterstützen die gewonnenen Daten unsere Forschung. Bei Planeten wird mittels gezogener Karte festgestellt, was wir dort angetroffen haben – wobei sich neben allen Planetenbezeichnungen auch viele dieser Karten auf bekannte Ereignisse aus den Serien beziehen. Das können einmalige Ereignisse sein oder auch fremde Zivilisationen unterschiedlichster Entwicklungsstufe. Ist ein Planet unbewohnt, dürfen wir ein anwesendes Raumschiff als Transporter opfern, um unser Gerümpel dorthin zu bringen und den Planeten unserem Imperium einzuverleiben. Falls dort hingegen schon jemand zuhause ist, stehen uns diplomatische oder militärische Optionen offen.

Denn natürlich bietet Star Trek Ascendancy über die Basics hinaus alles, was das Herz des Raum(schiff)fetischisten begehrt: Kleine und grosse Weltraumschlachten, Entwicklung von Waffen- und Schildtechnologien, Planeteninvasionen, Forschung, Wirtschaftsaufbau, Bau von Sternbasen… also Dinge, die man von Weltraumabenteuern im Allgemeinen und Star Trek im Besonderen erwarten würde. Dieses „Besondere“ ist es auch, das das Spiel von anderen Veröffentlichungen mit dem berühmten Raumschiff im Titel abhebt. In Star Trek Ascendancy tut man gut daran, sich mit der gespielten Zivilisation anzufreunden und deren typische Wesenszüge zu verinnerlichen. Passive, friedliebende Klingonen sehen rasch alt aus, die Stärke der Föderation liegt eher in ihrem Unternehmergeist als in der Kampfkraft, wer die Technologie der Romulaner vernachlässigt, kann auch zuhause bleiben.
Khaaannnn!
Ich habe bereits erwähnt, dass Star Trek Ascendancy ein zeitintensives Spiel ist. Wenn man dem System etwas vorwerfen will, dann ist es seine auf den ersten Blick antiquierte Rundenstruktur. Tatsächlich musste ich die Regelpassage mehrmals (zunächst ungläubig) lesen, in der beschrieben wird, dass Spieler A alle (!) Einkäufe und Aktionen ausführt, bevor Spieler B überhaupt in die Nähe der Kommandobrücke kommt. Das sind zunächst einmal fünf Aktionen, später werden es mehr. Auch wenn jede einzelne davon rasch abgehandelt ist, sind insbesondere bei Brett-neu-Trekkies längere Warteschleifen die Regel. Gleichzeitig würde aber jede andere Struktur zu einem anderen Ergebnis als dem jetzigen Spielgefühl führen, denn die Art und Weise der Festlegung der Spielerreihenfolge beruht durchaus auch auf strategischen Überlegungen und ergibt sich aus investierten Ressourcen.

Damit mich niemand falsch versteht: Ganz in der Tradition der bisherigen Galeforce 9-Spiele wurde auch Ascendancy mit dem (symbolischen) Holzhammer in die Schachtel geprügelt. Nach Eleganz und stromlinienförmigen Mechanismen sucht man in diesem Universum vergeblich. Und wisst ihr was? Das ist auch in diesem Fall wieder ganz prima! Eine klingonische Kampfflotte trifft auf Romulaner? Her mit den Würfeln und dann RUMMS! Eins unserer Forschungsschiffe will ein Phänomen untersuchen? Gut möglich, dass wir nach verpatztem Wurf nie wieder etwas von der Crew hören. Trotz zugegebenermassen relativ vielen, dabei aber einfachen und vor allem logischen Regeln (ja, das Regelheft ist nicht in allen Fällen über jeden Zweifel erhaben), ist Ascendancy dennoch ein sehr viel leichter erklärbares und eingängigeres Spiel, als man dies zunächst vermuten würde.
Resistance is futile!
Nein, wir befinden uns nicht auf der Brücke der Enterprise, rennen auf Kommando zusammen nach backbord (links), um einen Torpedoeinschlag auf Steuerbord (rechts) zu simulieren oder lassen uns auf fremde Planeten beamen und erleben dort Abenteuer. Stattdessen agieren wir als Obermotz der Föderation, des romulanischen Imperiums oder des klingonischen hohen Rats (dank Erweiterung auch der Ferengi oder Kardassianer) und treffen so die relevanten politischen, militärischen und wirtschaftlichen Entscheidungen unseres Volkes. Das bedeutet aber keineswegs, dass wir die aus der Serie bekannten Abenteuer kampflos preisgeben würden – im Gegenteil. Die Ereignisse auf neu entdeckten Planeten stammen wie erwähnt direkt aus den Serien, aber auch die von Ereigniskarten unabhängige Spielsituation zieht uns rasch und unausweichlich in ihren hoch thematischen Bann. Wer ein wenig Zeit übrig hat und schon immer erfahren wollte, wie man selber als Föderationsadmiral reagieren würde, wenn ohne Vorwarnung eine romulanische Flotte an der einen und eine klingonische an der anderen Demarkationslinie erscheint, kann mit Star Trek Ascendancy wenig falsch machen! Das Ding ist Kult!

Schön geschrieben, hört sich nach einem gelungenen Spiel an. Merke ich mir für meine Tage im Altenheim vor, wenn ich viel viel Zeit habe. Hoffe bis dahin ist auch eine Seniorenversion erschienen mit extra großer Schrift oder noch besser mit extra lauter Sprachausgabe.
Sooooo lange dauerts nu auch wieder nicht 😉
Schön geschrieben, aber……..
Die Enterprise aus dem Intro (NCC-1701) ist nicht die abgebildete (NCC-1701D). Kirk kommandierte erstgenannte und Picard die abgebildete. Sisko kommandierte Deep Space Nine und Janeway die Voyager.
Genug geklugscheißert 🙂
Wir haben zu fünft (Föderation, Romulaner, Klingonen, Ferengi und Cardassianer) gut 4 Stunden gespielt und die Erklärung hat ca. eine halbe Stunde gedauert, das Spiel lief sehr flüssig, gerade weil es einfach ist. Trekkie zu sein hilft beim eintauchen in die Materie, kein Trekkie zu sein ist aber auch kein Hindernis.
Und für die, die es interessiert, wir waren drei Männer und zwei Frauen.
Kirk? Picard? Sisko? Janeway? Von wem zum Henker sprichst Du?? 😉
Aber ja, hab’s ergänzt.