Pioneer Days – Die Kuh macht muh und der Siedler macht mäh

Warum haben Kühe eine Glocke um den Hals?

Was ist blau, hat drei weisse Streifen und steht auf der Wiese?

Was ist schwarz-weiss, steht auf der Wiese und macht „quak“?

Damit wäre geklärt, um was es bei Pioneer Days geht: Kühe. Diese Viecher scheinen die neuen Wikinger oder die neuen Zombies zu sein. Unzählige Spiele mit Kuh-Meeples, mit Rindern in der Haupt- oder Nebenrolle oder mit einem Aktionsfeld „Melken“ erschienen in letzter Zeit. In letzter Zeit? Schon seit Beginn der menschlichen Brettspielentstehungsgeschichte, schon seit Adam und Eva, respektive seit Wolfgang und Reiner, wird das Leben der Landwirte gerne mit Würfeln und Spielsteinen wiedergegeben.

Die Faszination für das Bauernleben verstehe ich nicht. Tiere sind ja herzig, Landschaften sind romantisch und Salate gesund – aber was für ein Aufwand. Falls eine Landwirtin oder ein Landwirt mitliest: Respekt für deine harte Arbeit! Als Kind faszinierte mich eher die Metzgerei. Keine Ahnung warum… Gäbe es kein Freundebuch von früher, ich würde meinen damaligen Berufswunsch nicht für möglich halten. Warum gibt es eigentlich keine Metzgerei-Brettspiele? Da wäre ich sofort dabei. Am besten noch ein Splotter-Spiel, bitte!

Zurück zu Pioneer Days (es geht übrigens um eine Reise quer durch die Vereinigten Staaten, also „On the Road“, nur mit Kühen und ohne Beat Generation)… Warum zum Kalb zocken Muwinser dieses Spiel? Warum zum Rind kaufen wir das? Während meiner „Essen“-Vorbereitung war ich auf der Suche nach einem Worker Placement Spiel mit einfachen Regeln. Nach gefühlt 1000 Seiten Lesestoff landete ich schliesslich bei einem Exemplar des kleinen amerikanischen Verlags Tasty Minstrel. Beim Lesen der BGG-Beschreibung leuchteten meine Augen bereits bei „dice rolling“ (kennt ihr schon meine Geschichte mit den fünf gewürfelten 6en?) und spuckten schliesslich Feuer bei „variable player powers“. Thema war erst einmal nebensächlich. In Essen überkam mich dann der Kaufrausch und ich habe Pioneer Days ohne Test gekauft. Harvest landete übrigens gleich auch in meiner blauen Plastiktasche…

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Mit diesem Trek bin ich am Ort meiner Träume angekommen: Lisa, Heidi, Anni und Uris haben ihren Dienst geleistet und können nun geschlachtet werden.

Zu Hause dann der Kater: Was soll ich nur mit einem amerikanischen Euro? Pete will eh nie, Beni muss man für ein solches Thema totprügeln, Etienne mag solche Spiele nicht, weil er dabei immer auf den Sack kriegt… Hmm, da bleibt nur Matt und der seinerseits gewinnt immer alles. Ich hatte die Ricardo-Anzeige (für unsere ausländischen Freunde ist dies ebay) für Pioneer Days bereits geschrieben. Dank meiner sozialen Ader nahm ich es trotzdem zu einem ersten Spiele-Abend mit. Und siehe da, der Underdog hat gegen die Oberkuh gewonnen! Das Spiel bleibt also in meinem Bestand und erhält nun sogar die Chance, hier beschrieben zu werden.

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Diese Würfel sind im „Wilden Westen“ überlebenswichtig!
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Das sind meine Ausrüstungsgegenstände. Immer wenn ich einen Holz-Würfel auswähle, erhalte ich ein Nugget und ein Holz zusätzlich, egal, wofür ich den Würfel einsetze!

Wie muht es sich in Pioneer Days? Der Startspieler wirft die Würfel (übrigens waren diese in meiner engeren Auswahl für den entsprechenden Top 3 Artikel) und jeder Spieler wählt einen davon aus. Natürlich schön der Reihenfolge nach. Den Würfel setze ich dann anhand des angezeigten Symbols ein: Ich erhalte entweder Silber, benutze ihn für eine Aktion oder rekrutiere einen Dorfbewohner auf dem örtlichen Arbeitsvermittlungsbüro. Mein neuer Partner, meine neue Partnerin kommt dann mit auf die Reise und verschafft mir einen Vorteil. Die Aktionen sind schnell aufgezählt: Ich nehme mir einen Ausrüstungsgegenstand, ein Goldnugget, ein Vieh, ein Fläschchen Algifor oder ein „Holz“. Zu jeder Zeit kann ich mein Gespann, respektive meinen Treck mit weiteren Wagen erweitern. Glücklicherweise kann ich mein Ergebnis immer ändern. Das kostet mich nur einen Batzen Silber. Damals war das Schicksal noch käuflich! Damit habe ich die Grundmechanismen bereits erklärt.

Auf einer Reise ist es nicht immer lustig. An jeder Ecke lauern Gefahren: Banditenüberfalle, Hurrikane, Knappheit an Tierfutter und Krankheiten. Diese gibt es auch in Pioneer Days und sie machen die Kuh erst zum Stier. Diese Katastrophen ereignen sich immer dann, wenn das letzte Feld in der jeweiligen Desaster-Abteilung erreicht wird. Und wie kommt der Marker dorthin? Nach der Auswahl der Würfel bleibt einer übrig. Dessen Farbe gibt an, wo der Desastergrad steigen muss… Und hier fängt das Muwins-Spiel an! Klopft beispielsweise die Syphilis an die Tür und ich habe genügend Medizin, um meine Leute zu impfen, dann will ich definitiv, dass die Krankheit ausbricht. So kann ich die Belegschaft meines Mitspielers um die Hälfte dezimieren. Bahnt sich am Himmel ein Hurrikan an und ich kann meine Wagen nicht genügend gut ausrüsten, dann vermeide ich, dass der dazugehörige Würfel liegen bleibt. Die Banditen rufen laut durchs Tal und wollen die Hälfte meiner Ersparnisse rauben! Ich bin aber über beide Ohren mit Revolvern ausgerüstet, Matt hingegen nicht? Die Wahl des Würfels ist klar.

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Wie du meinem Trek ansiehst, habe ich in dieser Situation den blauen Würfel liegen gelassen. Das führte dazu, dass ich meine Wagen nicht für den Sturm ausrüsten konnte und diese nun Schäden aufweisen. Hätte ich doch nur die Banditen zum Tee eingeladen…

Am Schluss jeder Runde besuchen wir irgendwelche Hillbillys oder Rednecks (hier kommt mir die köstliche Szene von Ozark in den Sinn!) und versorgen sie mit was auch immer sie benötigen (Kühe, Medikamente, Holz, Gold, Blutauffrischung, etc.). Dafür erhalten wir als Gegenleistung eine Gefälligkeit. Nach vier Runden ist die Reise vorbei, wir befinden uns in Kalifornien und es werden Punkte ermittelt: Die erhalte ich durch Nuggets, die erwähnten Gefälligkeiten, unsere rekrutierten Dorfbewohner und verliere sie für meine zerstörten Wagen.

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Im Seeland benötigen sie Kühe… und zeigen sich dafür erkenntlich. 3 Gefälligkeiten erhalte ich. Diese sind am Schluss des Spiels sagenhafte 6 Punkte wert.

Nun zur heiligen Kuh des Rezensionsschreibens: Wie ist die Milch? Allen hat Pioneer Days bisher Spass bereitet. Die gradlinigen Regeln und die kurze Spieldauer (45-60 Minuten) tragen sicher dazu bei. Mich haben vor allem die Katastrophen positiv überrascht. Sie führen zu Interaktion zwischen den Spielern („Wenn du dieses Mal den Syphilis-Würfel liegen lässt, uuhh wäähh, dann kommen das nächste Mal die Banditen!“) und bilden zu einem gewissen, natürlich immer noch abstrakten Grad auch die Wirklichkeit ab. Wir sind dauernd unter Druck und versuchen unseren Trek zusammenzuhalten. Schlussendlich stirbt jedoch immer irgendeiner weg. Dieses Gefühl erinnert stark an Felds Im Jahr des Drachen, eines meiner Lieblingspunktesalatspiele. Der Drache wird von vielen verschmäht, vor allem auf Grund des negativen Spielgefühls. Wir sind wie in Pioneer Days ständig unter Druck und müssen uns um all die Katastrophen kümmern. Da bleibt kaum Zeit, um den Salat anzurichten.

Ich bitte euch, lasst die Anfängerregel gleich bleiben. Beginnt mit den individuellen Anfangsstärken der Siedler. Diese pflügen bereits unsere Strategie vor und versorgen uns mit hervorragenden Vorteilen. Wie bereits mitgeteilt, mag ich unterschiedliche Start-Eigenschaften, sogenannte „variable player powers“.

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Ich mag besonders Trent: Der verkauft sogar seine Grossmutter!

Witzig sind auch die verschiedenen Dorfbewohner. Durch deren Rekrutierung findet auch das Card Drafting den Weg in die Prärie. Zudem bieten mir diese Gehilfen ein weiteres taktisches Instrument zum Erreichen des Sieges.

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Das wirtschaftliche Klima ist rau: Gleich 6 top ausgebildete Personen suchen nach Arbeit. Für einen Stier-Würfel engagiere ich „The Drover“. Für jede Kuh erhalte ich sofort je ein Silberstück! Der Gesamtarbeitsvertrag für Viehtreiber wurde damals noch nicht unterzeichnet!

Ich mag das Spiel! Es handelt sich um einen grundsoliden Euro, der im Gegensatz zu vielen seiner Brüder oder Schwestern auch einen gemeinen Mechanismus beinhaltet. Einige mögen dies, andere finden, das sei für ihre Ehe (arme Jenn) und zwischenmenschlichen Beziehungen weniger geeignet.

Pioneer Days erfindet das Rad jedoch bei Weitem nicht neu. Das Thema ist nicht der Knüller und die Interaktionen finden nicht auf allzu hohem Niveau statt. Es werden wie in vielen Euros Ressourcen gegen Gefälligkeiten/Aufträge/andere Ressourcen/Klötzchen gegen Punkte getauscht. Die ein wenig zu lange dauernde Reise nach Kalifornien (ein Spiel benötigt schnell bis zu 1.5 Stunden) ist also nicht für jedermann/frau, die Gruppe muss schon passen.

Leider ist das Spiel schwer erhältlich. Exemplare müssen im gelobten Land bestellt werden. Gesprochen wird bis anhin nur Amerikanisch. Vielleicht erbarmt sich ja ein kleiner, furchtloser deutscher Verlag und schaut sich das Ganze einmal an.

Was muhen eigentlich die anderen Kälber zu Pioneer Days?

Wiedumir: Pioneer Days ist sicher keine Pionierleistung in Sachen innovativem Spieledesign. Das muss es auch gar nicht sein. Das klassische, solide Workerplacement-Spiel hat mich über die für das Gebotene angenehm kurze Spieldauer bestens unterhalten. Das thematisch auf ähnlichen Wiesen grasende Great Western Trail hat zwar spielmechanisch etwas mehr Steak auf den Rippen, will aber dafür erduldet sein. Auch wenn es bei Pioneer Days zum Glück zuweilen knüppelhart zugeht (wie entzückend zwischen Syphilis, Banditen, Dürre und Unwetter wählen zu müssen), habe ich das Spielgefühl nicht als negativ erlebt. Hier wird kein Mangel erbsenzählend administriert, sondern ich kann relevante, spannende Entscheidungen treffen, die mir zumindest die Illusion lassen, mein Trek komme nicht völlig ramponiert unter der kalifornischen Sonne an. Das Kühe-Thema ist eigentlich Spareribs Wurst, bringt aber für mich genügend YippieYayYay-Flair rüber und lässt den Spielablauf logisch erscheinen. Make cows great again!

Matt: Pioneer Days hat mich gut unterhalten. Vor allem die Katastrophen sind sehr lustig. Erweisen sich deren Auswirkungen für meine Gegner schlimmer als für mich, sind sie sogar richtig nützlich. Das macht zwar thematisch wenig, dafür spielerisch umso mehr Sinn. Für das muwins’sche Spassempfinden gibt es nicht viel Schöneres, als wenn dank meiner Würfelwahl beim Gegner alle Wagen zu Zahnstochern verarbeitet werden oder ihre Gefolgschaft infolge Medizinmangels einen Stock tiefer einquartiert wird. Ausserdem erscheinen mir die verschiedenen Strategien recht ausgeglichen. (Siege mit einem Punkt Vorsprung sind übrigens irrelevant, da sie sicher auf Regelfehler zurückzuführen sind (ausser bei Dragon Castle…)).

  • Damit sie beim Fressen nicht einschlafen.
  • Eine Kuh im Trainingsanzug.
  • Eine Kuh mit Fremdsprachenkenntnissen.

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