Das Konzept der verschworenen Abenteurertruppe, die in finstere Gefilde hinabsteigt, um monströse Monster zu besiegen, klingt immer wieder verlockend – artet aber in der Umsetzung oft in Endlos-Würfelorgien aus, angesichts derer die attraktive Prämisse verpufft wie der erste Feuerball-Versuch eines frischgebackenen Zauberlehrlings. Glücklicherweise ist aber Würfeln heutzutage nicht die einzige Mögichkeit, spielerische Auseinandersetzungen zwischen Gut und Böse, Licht und Schatten zu entscheiden. Manche der neueren Umsetzungen sind geradezu riesig, andere geben sich äusserst bescheiden – wie The Banishing.
Das kleine, kooperative Kartenspiel von Sean Rumble (WizKids) reduziert unser Abenteuer auf das Essentielle: Die Auswahl unserer Charaktere und das Teamwork, wenn’s zur Sache geht. Dazu bedient sich das Spiel eines abstrakt anmutenden Mechanismus, der aber erstaunlich viel Thematik entwickelt! Denn um auch nur den Hauch einer Chance zu haben, unsere Mission erfolgreich abzuschliessen, ist intensivste Zusammenarbeit gefragt, bei der jeder Charakter sein Potential voll ausschöpfen muss.
Fangen wir also am besten einfach mit den verschiedenen Charakteren an: Acht davon
sind in der kleinen Schachtel enthalten tummeln sich gerade in der Taverne (und ja, das Artwork ihrer Charakterbögen ist eine eher traurige Angelegenheit). Da sich The Banishing offiziell an Gruppen von drei bis fünf Abenteurer richtet (zu zweit funktioniert es allerdings auch), nominieren wir aus den anwesenden Gästen eine passende Mischung für unsere Truppe. Jemanden fürs Grobe sollten wir möglichst dabei haben, also den Barbaren oder die Kämpferin. Da wir auf allerlei Monster treffen werden, kann ein wenig Magie in den eigenen Reihen auch nicht schaden. Die Hexe oder die Zauberin hinten in der dunklen Ecke sind naheliegende Optionen. Dieb, Barde oder Kultist buhlen als Unterstützungscharaktere um einen Platz in der Gruppe, und schliesslich starrt einsam an seinem Tisch noch ein Heiler in sein leeres Glas, der auch gerne mit möchte.

Jeder Charakter verfügt über lediglich zwei Merkmale: Ausdauer und Lebenspunkte. Dafür ist das Angebot an individuellen Fähigkeiten deutlich umfangreicher. Haben wir uns alle für einen Kumpanen entschieden, erhalten wir noch drei Handkarten (keine Monster), danach wird die „Leere“ ausgelegt, die sooooo leer allerdings gar nicht ist, denn sie besteht aus einem 3×3-Kartenraster. Unsere Aufgabe ist es, zehn Karten zu verbannen, bevor jemand aus unserer Truppe sein Leben verliert oder der Kartenstapel drei Mal durchgespielt wurde.

In der Leere tauchen dabei Monster (vorerst mit Werten von eins bis drei, zusammenfassend als „Untote“ bezeichnet) und bunte Karten auf. Letztere sind für uns wesentlich angenehmer als erstere. [Anmerkung des Rezensenten: Jetzt wird’s erst mal ein wenig abstrakt – bitte nicht flüchten. Der erste Eindruck täuscht extrem!] „Bunt“ bedeutet rot, grün oder blau, jeweils mit mystischen Symbolen (nennen wir sie der Einfachheit halber Quadrat, Dreieck und Kreis). Ist man am Zug, besteht die erste Amtshandlung darin, eine vollständige (!) Zeile oder Spalte aufzunehmen. Etwaige Monster wandern sofort neben unsere Charakterkarte und tun weh. Genauer: Kassieren wir zuviele solcher Wunden, drehen wir unsere Charakterkarte auf die Rückseite und verlieren alle Sonderfähigkeiten. Werden es noch mehr, sind wir futsch und beginnen zusammen eine neue Partie.
Anschliessend dürfen wir eine (sic!) Aktion durchführen, und die sind hier
das Salz in der Suppe der Moder im Dungeon, denn sie entscheiden, wie rasch wir das Spiel verlieren (ja, denn es zu gewinnen ist sauschwer!). Neben den drei für alle Charaktere identischen Basisaktionen stehen jeder Rolle sechs spezifische Handlungsmöglichkeiten offen, die davon abhängen, welche Kartenkombination wir dafür abwerfen. Die drei Basisaktionen heissen „Ausruhen“, „Handeln“ und „Austauschen“. Die erste erlaubt, unsere geringste Wunde abzuwerfen; „Handeln“ bedeutet, dass zwei Karten ihre Besitzer wechseln (dabei darf man natürlich gezielt nach bestimmten Karten fragen oder sie anbieten); „Austauschen“ manipuliert die Leere und vertauscht dort zwei ausliegende Karten. Oh nein, oh nein, wo denkt ihr hin – Letzteres ist sogar seeeeeehr wichtig! Es geschieht immer wieder, dass Abenteurer abnibbeln, nur weil ihre unaufmerksamen Vorgänger nicht beachtet haben, dass ihr Nachfolger keine Spalte oder Zeile mehr unbeschadet aufnehmen kann. „Austauschen“ kann Leben retten!

Und wie gesagt: Für die spezialisierten Aktionen werden Karten fällig. Grob gesagt ermöglichen rote Karten eher offensive Handlungen, grüne Karten lassen sich defensiv nutzen, und die blauen sind für das Erreichen unserer eigentlichen Spielziels essentiell: Sie haben mit Kartenmanipulationen im Allgemeinen, genauer auch mit der siegbringenden Verbannung zu tun. Für jede Farbe existiert dabei eine schwächere und eine stärkere Aktion. Die erste gibt’s schon für den Abwurf von drei gleichfarbigen Karten, für die zweite sind drei identische Karten (Farbe und Symbol) nötig.
Ist der Stapel zum ersten Mal leer, werden die Werwölfe (Stärke 4) hineingemischt, beim zweiten Mischen verseuchen die sechs Gebrüder Dracula den Reststapel. Wehe der Truppe, die bis dahin nicht zumindest einige Untote verbannen konnte. Tatsächlich darf man nämlich auch bunte Karten ins Nirwana schicken (der Barde wirft beispielsweise bevorzugt grüne Kreise ab), aber das erhöht natürlich den sowieso schon an Sadismus grenzenden Monsteranteil im Stapel zusätzlich. Immerhin: Spätestens im letzten Durchgang sollte man auch als Troubadix keine Skrupel mehr kennen und singen, was das Zeug hält!

The Banishing weist zu Ghost Stories nicht nur thematische Parallelen auf. In beiden Spielen bricht nämlich die Hölle genau dann los, wenn man den Gedanken „Noch liegt alles im grünen Bereich…“ eben im Kopf zu Ende formuliert hat. Und wehe den Wahnsinnigen, die es gar wagen, so etwas laut auszusprechen! Einzige Lichtblicke sind die sporadisch in der Leere auftauchenden Gegenstände: Mit Schilden blockt man eine drohende Wunde, Rüstung erhöht die Ausdauer und ein Zauberstab komplettiert als Joker Kartenkombinationen. Thematisch schön ist in diesem Zusammenhang etwa die Fähigkeit der Zauberin, die nicht nur Feuerbälle beherrscht, sondern auch Zauberstäbe und Schilde häkeln kann.

Apropos „thematisch schön“: Ja, das Spiel entwickelt einen deutlich thematischeren Reiz, als es sich aufgrund der obigen Beschreibung der Kartenmechanismen anhören mag. Ohne Absprachen und Diskussionen ist hier nichts zu holen, und natürlich diskutiert man über Kartenfarben und Symbole. Aber die damit auslösbaren Aktionen treffen thematisch haargenau die typischen Fähigkeiten, die man von ihren Protagonisten erwarten würde. Der Heiler heilt, die Kämpferin bringt mit ihrem Speer Monster reihenweise um die Ecke, der Dieb stellt Fallen und meuchelt hinterhältig die stärksten Gegner, der Kultist hat Michonne-mässig ein dressiertes Monster im Schlepptau, der Barde inspiriert, der Barbar läuft zur Hochform auf, wenn er verwundet ist und wirft sich den Horden entgegen, die Hexe verfügt über eine eindrucksvolle Heilungsaktion – die allerdings ihren Preis hat…

The Banishing hat uns als „Themenfans“ tatsächlich überzeugt. Eine Siegchance hat man in diesem Spiel erst, wenn man mit den verschiedenen Charakteren und ihren Interaktionen ausreichend Bekanntschaft gemacht hat und weiss, was man von seinen Mitstreitern erwarten kann und darf – andernfalls endet die ganze Truppe unweigerlich vorzeitig und unrühmlich als Monsterfutter. Eine zünftige Herausforderung, spannende Partien, intensive Interaktionen, das alles bei einer Spielzeit von 45 Minuten, die nicht nur wegen des knackigen Schwierigkeitsgrades sofort nach einer zweiten Partie schreit – was will man mehr?
Ok, während die Karten in ihrer Schlichtheit durchaus ansprechen, hätte man den Charakterbögen mit ein wenig mehr Liebe zum Detail auch optisch zusätzlich „Thema“ verpassen können. Geschadet hätte das nicht – genützt aber auch nicht wirklich, denn The Banishing ist auch so ein tolles Spiel geworden! Let’s enter the void…
Im Dezember 2015 hab ich den Prototypen von „The Banishing“ unter dem Namen „The Ritual“ beim Autorenwettbewerb von Hippodice testen können. War sehr abstrakt und die englischen Regeln echt schwer zu kapieren. Der Mechanismus hat aber gut funktioniert. Am Ende hat das Spiel dann den dritten Platz belegt.
Hier ein Foto vom Prototypen: https://boardgamegeek.com/image/3442981/banishing
Hab das veröffentlichte Spiel noch nicht spielen können. Muss ich nachholen.
Ein allgemeines Problem dieses Verlags ist ja, dass das fertige Spiel praktisch immer noch so aussieht wie der Prototyp. Man sollte sich davon aber in diesem Fall nicht abschrecken lassen … 😉
die haben halt die zwei Jahre in das bessere Verständniss der Regeln gesteckt und nicht ins Design. Finde ich die richtige Priorität 😉