Dokmus – Die Welt ist viele Scheiben

Wer sich bereits die kürzlich mit Autoren-Antlitzen angereicherte „Über uns“-Sektion dieser Website angesehen hat und dabei unweigerlich auch über mein Bildnis gestolpert ist, stutzte womöglich: Shotgun Pete ein Anhänger der Aluhut-Fraktion? Und jetzt outet er sich tatsächlich mit der Aussage, die Erde sei flunderförmig? Nun, ich enttäusche euch bekanntlich höchst ungern, also: Ja, die Welt ist flach wie ein Bierdeckel und ihre tektonischen Platten rotieren dabei umher, wie es ihren Wächtern lustig ist!

Zumindest im von Mikko Punakallio erschaffenen Universum von Dokmus (Lautapelit): Die verlorene Insel von Dokmus wurde gefunden! Sie ist die Geburtsstätte deines Stammes und deines Gottes, Dokmus. Du bist der erfahrenste Krieger deines Volkes und sollst nun eine Expedition dorthin leiten. Dasselbe haben jedoch auch andere Stämme vor (deren Geburtsstätte die Insel wohl ebenfalls ist, und die genauso wie deine Leute nicht mehr wussten, wo diese Insel liegt, sie jedoch nun gleichzeitig mit dir wieder entdeckt zu haben scheinen). Mithilfe der fünf gebefreudigen Wächter der Insel sollst du nun die Gunst Dokmus‘ gewinnen, indem du mit deinem Stamm auf möglichst allen Inselteilen… kleine und grosse… Tempel… entdeckst…

…..

Kch…

Hm?! Ah, ich war einen Moment lang eingeschlafen, entschuldigt! Ich nehme mal an, euch überkam beim Lesen dieses thematischen Hintergrundes ebenfalls eine plötzliche Müdigkeit, oder aber, dass sich auf eurer Stirn zumindest ein paar wenig angetane Falten ob der Beliebig- und Lieblosigkeit dieser Geschichte bildeten. Nun dürft ihr aber aufatmen, denn damit hätten wir bereits den einzig nennenswerten Negativpunkt dieses Spiels abgehandelt. Da das Thema zudem glücklicherweise bei Dokmus überhaupt keine Rolle spielt – handelt es sich dabei doch vornehmlich um ein abstraktes Legespiel – wenden wir uns nun doch mal seinen Stärken zu.

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Blau hat sich eine vielversprechende Startposition ausgesucht – nahe am ersten Tempel und direkt neben dem Nachbarplättchen.

Auf acht 7×7-Felder grossen Inselplättchen versuchen wir, mit unseren Holztokens möglichst viele der Tempel zu erreichen. Zur Abwechslung handelt es sich bei den Holzteilchen mal nicht um Würfelchen, sondern um visuell deutlich ansprechendere gerade Keile (ja, so nennt man die, ihr Geometriebanausen). Fortan nennen wir sie jedoch Zelte, denn wie solche wirken sie auf den mehrheitlich grünen Wald- und Wiesenflächen nunmal. Drei davon können wir pro Runde auslegen, unter einer Bedingung: Ein neues Zelt muss orthogonal an ein bereits aufgestelltes Zelt unserer Farbe bzw. an einen entdeckten Tempel anschliessen – das geht auch auf benachbarte Inselplättchen hinüber, denn diese werden als direkt angrenzend betrachtet. Ein Tempel wiederum gilt als entdeckt, sobald eines unserer Zelte daneben steht. Je nach Geländeart geht das Platzieren von neuen Zelten mehr oder weniger flott vonstatten: Wiesen leisten keinen Widerstand, beim Betreten eines Waldes oder Überqueren einer Wasserfläche muss ein Zelt „geopfert“ werden (d.h. wir geben das nächste unserer drei Zelte ab, ohne es aufzustellen), Zelte auf Vulkanen werden zum Ende der Runde zwangsgeopfert und auf Berge kommen wir gar nicht erst hoch.

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Zwei Runden später haben sich die Stämme bereits etwas ausgebreitet und die Insel… sieht irgendwie anders aus?

So geht es reihum und sobald alle Zelte aller Beteiligten aufgestellt sind, werden Punkte verteilt. Die gibt es für entdeckte Tempel generell, die Anzahl unterschiedlicher Inselteile auf denen Tempel entdeckt wurden sowie für Mehrheiten an geopferten Zelten. Tja, ihr kennt nun alle Regeln und könnt losspielen!

Ah, Moment! Ganz so banal und unaufregend ist es dann doch nicht! Da sind ja noch die Wächter, die seltsamerweise – der Autor des Spiels ist nämlich Finne – Namen in meinem deutschfreiburgischen Dialekt tragen: Inahuj (Aussprache „íína-húí“; zu Deutsch „Einer, ey!“), Hogel (sprich „Hogú“; „Hügel“ oder „Höcker“), Paryon (sprich „parjoon“; Zahlwort mit dem Wert 37’293’351), Mihayla (sprich „mí hei laa“; „mich nach Hause lassen“) und Zarul („sa ruul“; ein Gallizismus, „geht klar!“). Wahrlich seltsame Namen für Wächter! So seltsam gar, dass wir sie einfach ignorieren sollten.

Nennen wir sie stattdessen Eins, Zwei, Drei, Vier und Fünf, und konzentrieren uns darauf, was sie uns ermöglichen. Zu Beginn jeder Runde wählen wir jeweils geheim einen Wächter. Eins macht uns zum Startspieler und gibt uns Wächtererstwahlrecht für die nächstfolgende Runde. Zwei erlaubt uns, ein Inselplättchen orthogonal zu verschieben (d.h. wir können in den Reihen, in denen es eine Lücke gibt, eines der Teile dort hinein setzen). Mit Drei dürfen wir ein bereits platziertes Zelt um ein Feld versetzen. Vier lässt uns ein Inselplättchen drehen und Fünf kann alles, was Zwei, Drei und Vier auch können – nur sind wir damit halt als letzte dran, denn die Zahlen legen gleichzeitig auch die Zugreihenfolge für jede Runde fest.

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Die Wächter tragen auf den Plättchen ihre sprachunabhängigen Namen. So lassen sich auch peinliche Aussprachefauxpas vermeiden.

Diese inselplättchentektonischen Fähigkeiten bilden denn auch die Quintessenz des Spiels, ohne die es nicht nur deutlich interaktionsärmer, sondern auch taktisch eine relativ platte Angelegenheit wäre. Bis ich jeweils wieder dran bin, kann sich die Welt schon komplett verändert haben. Die Zugreihenfolge ist also ein entsprechend relevanter Faktor für rundenübergeifende Strategien. Gleichzeitig sollte man aber auch ein Auge auf die Konkurrenz werfen und sich anbietende Gelegenheiten nutzen, um ihnen (Spiel)Steine bzw. Berge in den Weg zu legen.

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Also irgendwie… sieht das nicht so regelkonform aus, oder? Hmm…

So flach und seicht, wie sich Inselwelt und Thema von Dokmus präsentieren, ist das Spielgeschehen zum Glück also nicht. Vielmehr haben wir hier ein Spiel, welches sich in fünf Minuten erklären lässt, äusserst zugänglich ist und dabei dennoch ein angenehmes Mass an taktischen Entscheidungen bietet, die es zu treffen gilt. Eine Partie dauert kaum mal länger als eine halbe Stunde und spielt sich zu viert, dritt und zweit (dort mit einer auf fünf Plättchen reduzierten Welt) gleichermassen flott. Für Abwechslung sorgen die beidseitig bedruckten Inselteile, die anfangs zufällig ausgelegt werden, sowie eine bereits erhältliche Erweiterung (Return of Erefel), welche mit neuen Plättchen, Landschaftstypen und einem sechsten Wächter aufwartet.

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Ah, jetzt, ja! Seht ihr es auch?

Das gewisse Etwas, um es zum Überflieger zu machen, fehlt Dokmus zwar, dennoch gewähre ich ihm gerne einen Platz in meinem Spieleregal. Aufgrund seiner Zugänglichkeit ist es nämlich ein idealer Kandidat für gemischte, sich aus (Halb)Muggeln und Vielspielern zusammensetzende Gruppen, der sich sowohl als Filler, wie auch als Absacker oder Wiederholungstäter anbietet, sollte jemandem der Sinn nach umgehender Revanche stehen. Und: Die zum Ende einer Partie mit bunten Zelten gespickte Insellandschaft lässt sich immer wieder hübsch ansehen. Seien wir also froh, ist die Welt flach, denn sonst würden die Zelte ja runterfallen, haha!

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Besten Dank an Lautapelit für das Bereitstellen eines Rezensionsexemplars.

 

Hier nun die Kurzberichte weiterer Expeditionsleiter nach Dokmus:

Lukebigbosss: Mich erinnert Dokmus stark an Kingdom Builder… Und ja, irgendwie mag ich das Spiel des Jahres sehr. Das Ausbreiten auf einer Karte liegt mir, es ist im Grunde keine langfristige Strategie möglich, die Situation ändert sich sekundenschnell und ich kann sogar meinen Gegenspielern Regionen verbauen. Pluspunkt gegenüber Kingdom Builder ist der Mechanismus der Zugreihenfolge. Mein persönlicher Wächterfavorit ist übrigens Nr. 3… Zelte verschieben ist einfach wahnsinnig toll. Wie es der Zufall will, habe ich dies im Königreich auch immer gerne gemacht. Mit Dokmus liegt der ideale Einstieg in den Brettspielabend vor.

mratn: Es lassen sich trotz sehr einfachem Mechanismus ein paar tolle Kombos ausführen: dieses Zelt auf diese Ruine und dann dieses Zelt via Tempel gratis auf dieses Feld – oder so ähnlich. Die Reise ins Nachbarland von Kingdom Builder und Terra Nova ist zwar nicht die fordernste, aber durchaus unterhaltsam.

2 comments

  1. Ich kann mich daran erinnern,leider nicht das Jahr-muß das Alter sein-dass ich das Spiel für Essen (2015 oder 2016)vorbestellt hatte.
    Das Spiel war komischerweise kaum bemerkt worden,leider danach auch nicht,aber vielleicht jetzt durch Euren Artikel 😉 .
    Ich suche immer Spiele,die einen leichteren Zugang haben,aber trotzdem dabei noch taktisch sind.Ich habe selten Mitspieler,die sich vorm Spielen eine irrelange Erklärung anhören möchten.Ich habe es zwar schon versucht,aber danach mußte ich sie aus dem Koma holen 😉
    Wenn man spielen will,muss man halt Kompromisse eingehen….
    Ich kann dieses Spiel Jedem nur empfehlen.Es geht flockig von der Hand.Das Spiel wird vorerst nicht verkauft 🙂

  2. Ich hätte nicht gedacht dass ich das sage aber: Die Zelte machen echt viel aus wie das Spiel wirkt. Ich glaube mit Rechtecken oder gar Plättchen wäre das deutlich weniger eindrucksvoll geworden. Gefällt mir.

    Das Spielkonzept an sich klingt simpel (wie geschaffen für mich ;)) und doch ansprechend.

    Der Name des Verlages ist aber auch sehr….einfallsreich. 😀

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