Pixie Queen – Wie „Fifty Shades of Grey“, nur besser?

Nein, ich habe „Fifty Shades of Grey“ nicht gelesen. Aber ich habe mir natürlich einige Online-Leseproben angetan (ja, auch wir Pixies haben Internet), die waren dann gleichzeitig auch der Hauptgrund dafür, dass ich den Rest nicht gelesen habe: Einerseits, weil sich Frau James sprachlich so unterirdisch ausdrückt, dass es einem die Spitzohren einrollt, andererseits, weil das Dargestellte so nichts mit unserem Alltag zu tun hat. Der ist nämlich alles andere als lustvoll…

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Elsie Wright mit Günther Grashalm

Wer wirklich etwas Aufregendes lesen möchte, sollte sich stattdessen lieber Klassikern der Weltliteratur zuwenden: „Tinkerbell“ oder „Peter Pan“. Aber um es klar zu stellen: Nein, wir sind keine Feen und auch keine Kobolde – am ehesten noch etwas dazwischen. Das hat uns aber nicht davor bewahrt, dass 1917 unsere so lange geheim gehaltene Existenz aufflog, als die Wright-Bälger Fotos von Feen (oder was sie als solche bezeichneten) veröffentlichten. Es ist nun mal eine Sache, ob man sich (angebliche) Märchen erzählt, oder ob man die handfesten Beweise sieht. Danach war nichts mehr wie früher…

Und obwohl unsere Existenz nun also schon seit über 100 Jahren unzweifelhaft bewiesen ist, werden wir nach wie vor missverstanden! Ja gut, wir klauen, was das Zeug hält – aber nicht nur aus bösem Willen, sondern auch aus purer Angst: Angst vor der Alten im Schloss, ihres Zeichens Königin der Pixies – und übellaunig bis zum Abwinken. Ihr wichtigstes Anliegen: Essen! „Ich will ÄÄÄÄÄPFEEEEEEL!“, kreischt’s dann jeweils durchs Schloss, denn Äpfel, Honig und Brot sind ihre Leibspeisen, und eine davon verlangt sie jeden Tag. Aber denkt ihr, die Dame könne rechtzeitig Bescheid geben, wonach ihr sein wird? Neeeeeein… Erst im allerletzten Moment gibt sie ihre Bestellung durch, und dann gilt es, sofort das Richtige aufzutischen.

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Da oben steht sie. Leider ist der Balkon stabil gebaut.

Als Leiter der Arbeitsgruppe Pix III bin ich letztlich mit für die Entscheidung verantwortlich, was wir der Ollen jeden Tag vorsetzen. Zur Auswahl stehen Gold, Silber, oder eben das von ihr gewünschte Nahrungsmittel. Jede Arbeitsgruppe liefert genau eine Sorte, und so lange der gefragte Mampf dabei ist, ist alles in Ordnung. In diesem Fall dürfen wir einige unserer Mitarbeiter befördern, und sie rechnet uns allfällig gelieferte Edelmetalle sogar grosszügig an. Sollte aber gar niemand die geforderte Nahrung geliefert haben … eieiei…

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Die Ressourcen: Gold, Silber, Äpfel, Brot, Honig. Ausserdem stösst man beim Graben auch mal auf Steine (schwarz), die lediglich dazu dienen, gegnerische Minenpixies anzuketten.

Vielleicht sollte ich anmerken, dass „Arbeitsgruppe“ lediglich die offizielle Sprachregelung für „eine Bande von Sklavenarbeitern“ ist. Die schuften nämlich erst mal alle in ihrer Mine. Oder denkt ihr, Gold und Silber fallen einfach so vom Himmel? Falls ich der Königin ihr Essen liefere, darf ich nach und nach einzelne Mitarbeiter befördern: Je mehr, desto mehr. Aus den höheren Positionen klaut es sich in Zukunft leichter, beziehungsweise werden sonstige Aktionen für alle Arbeitsgruppen einfacher durchführbar. Und mögliche Aktionen gibt es viele. Fassen wir sie so zusammen: Manche haben mit dem Arbeitsgruppenmanagement oder der Gold- und Silberverarbeitung zu tun, und ausserdem kennen wir diverse Methoden, um an die gefragten Materialien zu gelangen. Die einträglichste ist das Akquirieren von Essbarem bei den Menschen, aber als Pixies sind uns auch direkte Seitenhiebe in Richtung konkurrierender Arbeitsgruppen nicht fremd.

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Die Karriereleiter von den Minen bis ganz nach oben ist lang.

Apropos Hiebe… haha… Die setzt es von unserer gekrönten Schnepfe für alles und jedes ab. Zu viele Mitarbeiter schuften noch in den Minen statt in verantwortungsvolleren Positionen? Das heisst wohl, es fehlt die richtige Motivation… PEITSCH! Es wurde zu wenig Gold abgeliefert? PEITSCH! Silber auch? PEITSCH! Ach ja… die korrekte Nahrung wurde heute überhaupt nicht serviert? Ihr werdet staunen, dann kommt nicht etwa sofort die Peitsche zum Einsatz, sondern ein Mitarbeiter wird kurzerhand in die Minen zurück verfrachtet… erst DANN folgt … PEITSCH!

Bevor wir eine Woche beginnen, dürfen übrigens alle Arbeitsgruppenleiter jeweils eine besondere Eigenschaft wählen. Aufgrund unserer doch eher liberalen Einstellung gegenüber dem Eigentumsbegriff dürfte aber kaum überraschen, dass diese nicht für alle Zeiten zugeordnet bleiben. Das Thema Seitenhiebe hatte ich ja erwähnt, und Möglichkeiten dazu gibt es viele. Zu den unverfrorensten gehört übrigens das Petzen. Als Folge davon werden die anderen Arbeitsgruppen nach meinem Belieben einmal mehr mit Peitschenhieben gezüchtigt. Alternativ dazu können auch Pixies anderer Arbeitsgruppen überfallen und um einige Materialien erleichtert werden. Am harmlosesten ist noch das „Äpfeln“: Nach Bestechung mit einem zusätzlichen Apfel tauschen unsere eigenen Mitarbeiter kurzerhand die Position mit einem ab sofort ehemals höhergestellten Mitglied einer anderen Arbeitsgruppe. Wichtig ist uns schliesslich nicht, DASS die Königin ihren Plunder erhält, sondern, dass sie ihn VON UNS kriegt!

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Mit dem Petzwürfel darf man gegnerische Arbeitsgruppen verprügeln lassen.

Vielleicht wäre jetzt der Moment gekommen, an dem ich euch erklären sollte, was es mit den Peitschenhieben eigentlich auf sich hat (ausser, dass sie höllisch brennen). Sie werden nämlich (laut) mitgezählt (und verdankt) und führen in unserem internen Arbeitsgruppenwettbewerb letztlich zu Negativpunkten. Wer nach sieben Tagen die wenigsten Negativpunkte gesammelt hat (es geht allerdings das Gerücht um, dass der legendäre Günther Grashalm vor einigen 100 Jahren sogar mal im positiven Bereich gelandet sein soll), darf der Königin am Wochenende als Schuhabstreifer dienen. Dass um diese Ehre mit ausgefahrenen Schuhspitzen gekämpft wird, dürfte klar sein. Gerade letzte Woche war Michi Maikäfer der Glückliche. Der hat zwar lauter billigsten Modeschmuck der übelsten Sorte an die Königin geliefert, aber da wir anderen alle gepennt hatten, konnte er uns damit im Regen stehen lassen. Immerhin: Es hat dermassen geschifft, dass er als Schuhabstreifer wenig Freude an seinem Sieg gehabt haben dürfte. Aber nochmal schafft er das nicht!

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Wer es auf der Karriereleiter ganz nach oben schafft, wird zum persönlichen Kammerdiener der Königin und liefert seiner Abteilung am Ende haufenweise Punkte (hier 10), steht der Truppe aber auch nicht mehr für niedere Tätigkeiten zur Verfügung.

Die Abrechnung folgt wie gesagt zum Ende der Woche. Und da übertrifft sich die Hexe nochmal selber. Einerseits sollen wir haufenweise Zeug heranschleppen, um sie nur ja zufrieden zu stellen, aber am Ende macht sie die Runde durch unsere Schlafhöhlen. Wer immer dann von jeder Rohstoffsorte am meisten gebunkert (also „ihr vorenthalten“) hat, kriegt nochmal so richtig Haue! PEITSCHPEITSCHPEITSCH!

Ich hoffe, diese Schilderungen konnten euch ein wenig Einblick in unseren doch eher düsteren Alltag gewähren. Man hat es auch als angebliches Fabelwesen nicht leicht, wenn es der bösen Königin nicht gefällt.

Darum mein inständiges Hilfeersuchen: Stellt bitte jeden Abend einen Apfel vor eure Fenster! Oder einen Kanten Brot! Oder ein Glas Honig! Gold und Silber wären auch okay! Danke!

Mit verpixeltsten Grüssen

Benji Brennnessel
Amtierender Arbeitsgruppenleiter Pix III


Anmerkung der Redaktion: Das obige Schreiben war unserer Schachtel Pixie Queen  beigelegt, der Umschlag mit „Hülffe“ beschriftet. (Der Text musste natürlich massiv redigiert werden. Fabelwesen haben’s offenbar nicht so mit der Rechtschreibung und bedienen sich einer antiquierten und (naturgemäss) blumenreichen Ausdrucksweise).

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Bei Pixie Queen handelt es sich eigentlich um ein Arbeiter-  respektive in diesem Fall Holzscheibeneinsetzspiel, bei dem der Sieg über das Sammeln und Reinvestieren diverser Ressourcen zu erreichen ist, die letztlich in Siegpunkte konvertiert werden. Es verfügt damit über sämtliche Zutaten, um es bei den MUWINS auf Anhieb abzumelden.

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Das Pixiereich sieht auf den ersten Blick erschlagend aus.

Nur: Pixie Queen umgeht diverse Fehler (aka „Dinge, die den MUWINS nicht gefallen“)! Während sich die Interaktion bei vielen Vertretern dieser Spielegattung darauf beschränkt, den Gegnern Aktionen vor der Nase wegzuschnappen, eröffnen sich hier diverse Möglichkeiten, der Konkurrenz direkt die Flügel zu stutzen – ähnlich wie bei Carson City, einem weiteren der wenigen, von uns hoch geschätzten Vertretern des Genres. Nur eher NOCH fieser. Und genau so wie im Wilden Westen, kann man auch im Pixiereich nicht einfach alleine vor sich her spielen und durchoptimieren. Stattdessen ist man stark daran interessiert, was den lieben Spielfreunden wohl in ihrem Zug gerade wieder für Schandtaten eingefallen sind, und wie viele Hiebe man dafür gegebenenfalls gleich selber abkriegt. Solitär sieht anders aus!

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Dieser Bereich erlaubt jeder Farbe einmal, eine bereits besetzte Aktion erneut durchzuführen. Wer zuerst dieses Sonderrecht in Anspruch nimmt, erhält sogar lediglich einen kleinen Peitschenhieb. Später werden es nach und nach mehr.

Die Punkteleiste reicht von -60 bis +20. Hinweis genug, dass es überwiegend bergab geht. Nun würde man denken, dass es keinen Unterschied macht, ob man von 0 bis 80 oder eben mit haufenweise Miesen rechnet. Tut es aber – zumindest emotional. Darüber hinaus sind in die Punkteleiste Stufen eingebaut. Überschreitet man eine davon (abwärts), muss ein eigener Pixie aus dem Kader in die Minen zurück. Der Petzwürfel – im richtigen Moment eingesetzt, um einen Gegner gerade so in die nächste Zone zu schubsen – kann massiv nerven!

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Für grün ist bald alles im grünen Bereich. Mehr, als ihm lieb ist.

Für alles und nix erhält man Peitschenhiebe (also Strafpunkte) aufgebrummt und nimmt den aus dem ungesund grünlich schimmernden Loch aufsteigenden Modergeruch am unteren Ende der Leiste immer deutlicher wahr. Wenn’s da jemanden reinhaut, wird einmal kräftig gespült, und man ist ganz aus dem Spiel. Dadurch ergibt sich der Zwang, dass man nicht alles nur auf die Punkte bei der Endabrechnung ausrichten darf, sondern auch „unterwegs“ einen gewissen Fortschritt abliefern sollte.

Eine zweite reizvolle und nicht alltägliche Mechanik sind die nach und nach aufsteigenden (beförderten) Pixies, die dabei einerseits immer gewinnbringendere Diebeszüge unternehmen, dabei aber gleichzeitig die mit der Position verbundenen Aktionen für alle erleichtern, da nun eine Aktion weniger dafür benötigt wird. Ausserdem sollten die Kameraden auch nicht allzu lange zu erfolgreich klauen und in den mittleren bis oberen Kaderpositionen ‚rumhängen, ohne ganz nach oben (und aus dem Spiel) zu kommen, denn dadurch sammeln sich schnell haufenweise Vorräte an. Und wie Benji Brennessel erwähnt hat: Wer am Ende das meiste Gerümpel jeder Sorte hinter seinem Sichtschirm hat, wird ebenfalls mit jeweils 3 Minusp Peitschenhieben bestraft.

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Ein Beispiel für vier Aktionen (rechteckige Felder): Die Plättchen oben links steigern die Effizienz von Diebeszügen. Oben rechts erhält man das Sonderplättchen „Doppelte Opfergabe“, mit dem man der Königin einmalig zwei Ressourcenarten gleichzeitig anbieten darf. Unten links greift man zwei Nahrungsmittel nach Wahl ab, unten rechts zwei Silberbarren. Je nachdem, ob dort ein Pixie sitzt, kostet eine Aktion eine oder zwei Aktionsscheiben. Die über den Kreisen abgebildeten Nahrungsmittel erhalten die dort platzierten Pixies zusätzlich während der Diebeszugphase.

Die Auswahl möglicher Aktionen ist für Neulinge beinahe erschlagend (so erschlagend, dass ich sie hier nicht erschöpfend darstelle, da mir sonst die Leser wegnicken). Während der ersten Partie werden deren Logik und die Zusammenhänge aber deutlich. Ab der zweiten Partie lassen sich gezielt Strategien ausprobieren – unter dem Vorbehalt, dass einem die Kollegen und Kolleginnen natürlich jederzeit heftigst reinpfuschen können. Das gehört unter Pixies zum schlechten Ton!

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Auf der seitlichen Schlosstreppe werden die Gold- und Silberabgaben registriert – die sich wiederum auf die Effizienz der Ringherstellung auswirken.

Bei Pixie Queen handelt es sich damit zusammenfassend gesagt um eine äusserst realistische Simulation des Pix’schen Gesellschaftsmodells, die mich, eigentlich entgegen meiner sonstigen spielerischen Vorlieben, beim ersten Einsatz (!) positiv überrascht hat. Es ist nicht alltäglich, dass man nachts wach liegt und darüber nachdenkt, wie man einen siegreichen Gegner besser hätte zurückbinden können – und einer der Lösungsansätze „mehr Peitschenhiebe“ lautet.

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Mehr, ehrwürdige Königin, mehr…

 

Wiedumir, Leiter der Arbeitsgruppe Pix I und bekennender Nicht-Masochist meint zu Pixie Queen:

In meiner bisher einzigen Partie hatte ich zwar in unerwünschtem Übermass Lebensmittelvorräte – auch für das gibt’s am Schluss natürlich Minuspunkte an die Elfenohren -, aber punkto Aussicht auf den Spielsieg null Brot. Meine Strategie kam auf keinen grünen Zweig, da ich für deren Umsetzung konsequent hätte Startspieler werden müssen, was mir aber nicht gelang. Da sich die Möglichkeiten des Spiels erst während der ersten Partie erschliessen, gröbere Fehler aber kaum auszubügeln sind, müsste ich in einer nächsten Runde ausprobieren, welche Spielweisen erfolgversprechender sind. Mit Betonung auf „müsste“. Obwohl Pixie Queen fraglos ein interessantes, sehr interaktives Workerplacement-Spiel ist, welches das oben stehende Lob verdient, vermochte mich leider das bewusst negativ gehaltene Szenario spontan nicht zu begeistern.

4 comments

  1. Ach was, Fressalien an die Königin liefern. Das ist mühsam und aufwändig und gefährlich und zudem noch schlecht bezahlt. Das sollen schön die anderen machen. Was die Königen wirklich will, sind hochwertigste Accessoires, goldene Ringe zum Beispiel (natürlich hochwertigste Goldschmiedearbeit, kein Modeschmuck, da ist sogar ein Prägestempel aufgedruckt!). Und Gold und Silber, natürlich.
    — Michi Maikäfer, Leiter der Arbeitsgruppe Pix IV, Generalimporteur der GoldenRings Ltd, Shenzhen.

    (Notiz unbekannten Ursprungs, gefunden in einem ringförmigen Tunnel 150m unter Meyrin)

    Wie auch immer, wie so oft führt in interaktiven Spielen vermutlich genau das zum Erfolg, was die anderen nicht tun. Wenn alle um die Gunst der Königin buhlen und ins Kader hoch wollen, nehmen sie sich gegenseitig den Platz weg und äpfeln sich runter. Wie viele sind schon hochgekommen und dann an der Schlosspforte gescheitert, weil da schon einer stand? Hinzu kommt noch, dass wer da oben steht auch leicht beklaut werden kann…

    Das Thema gefällt auf jeden Fall. Gerade weil es sich von den üblichen „Heile Welt“-Mittelalter-Handelsszenarien abhebt. Das Spielkonzept – nun, könnte noch etwas interaktiver sein, gerade gegen die Ringherstellung kann man nicht viel machen. Ausser vielleicht dem notorischen Ringfabrikant mindestens mal das „+2 für alle Ringe“-Plättchen abzunehmen.

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