Senators – Grab `em by the Toga!

Als allererstes begab ich mich an der diesjährigen Spiel an den Stand von La Mame Games, um mir direkt aus den Händen des Autoren- und Vater-Sohn-Duos Haig und Rikki Tahta ein Exemplar von Senators zu sichern. Auf meiner Prioritätenliste stand es mit ganz oben und war wohl jener Titel, auf den ich am meisten gespannt war. Dies einerseits, weil es interessante, entscheidungsträchtige Mechanismen in ein übersichtliches Regelwerk packt und andererseits, weil es einen hohen Grad an Interaktivität verspricht. Damit bringt es eigentlich alles mit sich, was es braucht, um bei den MUWINS einzuschlagen. Auf dem Papier also eine explosive Ballista – und auf dem Spieltisch? Nun, schauen wir uns erstmal die Komponenten an, bauen das Ding zusammen und testen es auf seine Wirkung.

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In Senators schlüpfen 3 bis 5 Spieler in die Rolle wohlhabender Fraktionsführer in der späten, altrömischen Republik und versuchen, sich möglichst viel Unterstützung im Senat zu, ähm, erkaufen (nennen wir die Dinge doch einfach beim Namen). Zunehmende innen- und aussenpolitische Konflikte werden dazu führen, dass der Senat früher oder später die Macht zentralisiert und einer einzelnen höheren Person die Regierungsgewalt überträgt. Will heissen: Der Fraktionsführer, der zu diesem Zeitpunkt die meisten Senatoren auf seiner Seite weiss, wird Kaiser (und der entsprechende Spieler gewinnt das Spiel).

So weit, so eher nicht so spektakulär. Auch das Spielmaterial schindet erst mal nicht sonderlich Eindruck: Das grafische Design ist sehr pragmatisch ausgefallen. Die Illustrationen auf den etwas schwabbeligen Karten bestechen durch, nun, sagen wir mal Einfachheit. Als Geldstücke dienen kleine, dünne Kartonmarker. Und die Sichtschirme, die unseren Geldvorrat verbergen sollen, bestehen aus einer normalen Spielkarte, welche in der Mitte geknickt wird. Sie erfüllen so ihren Zweck mehr schlecht als recht, aber ein Brettspieler von Format weiss sich ja selbst zu helfen (oder helfen zu lassen – danke, Martina!).

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„Das sieht ein bisschen so aus wie ein Prototyp.“ (lukebigbosss)

Brettspieler von Format wissen aber auch, dass man sich von visuell-haptischen Ersteindrücken nicht komplett einnehmen lassen sollte und diese, wenn positiv, zwar durchaus einiges zum Spielspass beitragen können, letzterer aber nicht davon abhängen muss – und sollte. Wenden wir uns also dem Wesentlichen zu und schauen mal, was man als Fraktionsführer im Alten Rom so treibt.

Jeder Spieler beginnt seinen Zug mit dem Aufdecken einer Ereigniskarte. Dabei werden wir oft aufgefordert, Geldgebote abzugeben – mal „blind“, mit einem Senator als Belohnung für den Höchstbietenden, mal in einer Art Anti-Versteigerung, bei welcher reihum jeder ein stetig sinkendes Kaufangebot für einen neuen Senator entweder annehmen oder vorbeigehen lassen kann (heutzutage auch bekannt als „holländische Auktion“). Andere Ereignisse belohnen Spieler, die vorne liegen (der Catch-Up-Mechanismus in Senators nennt sich nämlich „hilf dir selbst, du Pfeife!“) oder fordern schlicht Geldzuwendungen, um die Staatskasse aufzupäppeln. Eine zweite Funktion kommt hierbei dem Ereignis „Krieg“ zu: Sobald die vierte solche Karte gezogen wird, endet das Spiel sofort.

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Einige Events: Staatskasse füllen, Senator einkaufen und KRIEG!

Während unseres Zuges haben wir dann die Möglichkeit, eine von drei Aktionen durchzuführen. Ich steh ja sonst nicht so drauf, Regeln aufzulisten, aber zumindest die ersten beiden Aktionsarten sind so köstlich, dass ich dieses Mal nicht drum herum komme, kurz auszuführen:

  • Wir können eine Auktion abhalten. Dabei liegen diverse Ressourcenkarten und eine Amtskarte zur Versteigerung aus. Reihum bietet jeder Spieler soviel und worauf er möchte, wobei die Spielerin, welche die Auktion auslöst, selbst kein Gebot abgibt. Vielmehr entscheidet sie am Ende für jede Karte, ob sie diese dem Höchstbietenden zum veranschlagten Preis ver- oder abkaufen möchte. Wer die Karte kriegt, legt sie offen in seine Auslage.
  • Wir können andere Spieler erpressen. Dafür gehen wir reihum und nennen jedem Spieler für eine seiner Karten einen Preis. Bezahlt er diesen, darf er die Karte behalten, andernfalls müssen wir sie ihm zum genannten Betrag abkaufen. Auf diese Weise erstandene bzw. gesicherte Ressourcenkarten kann uns niemand mehr wegnehmen (Ämter hingegen bleiben – wie könnte es auch anders sein – käuflich bzw. erpressbar).
  • Wir können einkassieren. Dies tun wir, indem wir die Ressourcen, welche wir mittels Ersteigern und Erpressen ergattert haben, als Sets gewinnbringend verkaufen. Gleichzeitig haben wir hier die Möglichkeit, neue Senatoren anzuwerben.
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Eine Auktion in vollem Gang: Grün zahlt sich grad dumm und dämlich für einen Stoffballen minderer Qualität…

Ah, ich spüre, wie sich in den Köpfen einiger unserer Leser gerade eine Frage manifestiert: „Aber was passiert denn, wenn ein Spieler gar nicht genug Talente im Geldsäckel hat, um für eine Karte zu bezahlen, zu deren Kauf er genötigt wird?“ Nun, da kommt eine kleine, fiese Regel ins Spiel. Eine, die richtig weh tut. Vor allem dem betroffenen Spieler: Geht einem das Geld aus, kann – respektive muss – man sich fünf Talente von der Bank geben lassen. Die braucht man zwar nicht zurückzuzahlen, verliert dafür jedoch einen Senator. Hat man irgendwann keinen Senator mehr, ist man raus. Ja, ihr hört richtig: Player elimination anno 2017 – und es macht so richtig Laune!

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Diese Set-Typen lassen sich verkaufen: Jeweils drei Karten einer Farbe oder eines identischen Wertes sowie – mit fettem Bonus – eine kleine „Strasse“ derselben Farbe.

Nicht, dass es das vorrangige Ziel wäre, andere Spieler rauszukicken… Aber mal angenommen, meine Konkurrentin hat sich gerade so sehr bei einer Auktion verspekuliert, dass sie einen Kredit brauchte, um für alles zu blechen. Warum sollte ich dann nicht die Gunst der Stunde nutzen und ihr eine Karte wegerpressen, die sie sich zur Ressourcen-Set-Komplettierung gerade teuer ersteigert hat? Und zwar um genau ein Talent mehr, als sie nun nach der Kreditaufnahme noch hat? Also so, dass sie mir diese entweder zum Spottpreis verkaufen oder aber gleich nochmal einen Kredit aufnehmen muss?

Ihr seht, man kann dieses kleine Spiel herrlich böse spielen. Allerdings sollte man dabei nicht vergessen, dass die Zeit läuft. Das Ende in Form der vierten Kriegskarte kann sehr plötzlich und unerwartet kommen. Und so ist es oft zumindest eine ernsthafte Überlegung wert, statt des wirklich fiesen Zuges, der sich einem anbietet und dem man als Muwinsgeschädigtergeprägter verständlicherweise nur schwer widerstehen kann, sich für etwas zu entscheiden, was einen selbst in eine gute Position bringt. Schliesslich könnte es unser letzter Zug sein…

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Gerade die Ungewissheit, wie oft man noch dran kommt – und ob überhaupt – trägt ungemein zum exquisiten Spannungsbogen von Senators bei. Andere Spiele mit ähnlichem Kartendeck-Timer (wie z.B. Tulip Bubble) lassen uns erst mal in Ruhe aufbauen, ganz im Wissen, dass die Partie erst mit einer der drei (oder fünf (oder sieben)) letzten Karten endet. Auch da steigt die Spannung zwar merkbar, sobald sich der Stapel der kritischen Menge nähert. Bei Senators hingegen heisst es von Anfang an, „Vögeli friss oder stirb“: Ein Spiel zu viert könnte schon nach einer Tischumrundung vorbei sein. Vielleicht dauert es aber auch deren sechs. Ein stetes Abwägen zwischen kurz- und langfristig lukrativen Aktionen ist die Folge und hält den ganzen Tisch pausenlos im Bann, zumal wir fast immer in den Zügen der Mitspieler mitwirken können.

Dem gemächlichen Engine-Builder-Enthusiasten dürfte der „Sudden Death“ zu zufällig sein, dem zehn Züge vorausplanenden Durchrechner strategisch zu wackelig – leidenschaftlichen Bauchspielern wie mir hingegen bietet Senators ein erfrischendes, packendes und äusserst unterhaltsames Biet-, Spekulier- und Riskiererlebnis, das ganz unabhängig der Anzahl Mitspieler glänzt. Allerdings besteht auch ein gewisses Frustpotential für Leute, die mit betont konfrontativen Spielen nicht so dicke sind oder sich diese Art Spiel schlicht nicht gewohnt sind. Denn Senators ist ein Mehrspielerspiel im doppelten Sinne: Erstens sollte es mehrmals gespielt werden, damit man den Wert der einzelnen Karten überhaupt einschätzen kann und sich am Ende nicht überrumpelt fühlt. Zweitens richtet es sich klar an Leute, die vermehrt spielen und sich von einem Spiel, welches verschiedene Siegstrategien ermöglicht, die aber nicht alle gleich augenscheinlich sind, nicht abschrecken lassen (einmal gewann ich z.B., ohne dabei auch nur ein einziges Kartenset zu verkaufen…).

Aufgrund der überschaubaren Spieldauer – länger als 45 Minuten dauert eine Partie kaum – ist selbst die potentielle Spieler-Eliminierung keinen Aufreger wert. Ergo: Diese Ballista namens Senators mag auf den ersten Blick einen leichtgewichtigen, etwas klapprigen Eindruck machen, sie hat mich aber umgehauen, wie bisher noch kein anderes Beutestück der diesjährigen Spiel.

Wer übrigens wie unser Benji bedauert, sich in Essen kein Exemplar gekrallt zu haben, sollte sich eventuell noch ein bisschen gedulden: Gemäss Rikki Tahta stehen die Chancen sehr gut, dass noch dieses Jahr eine aufpolierte Neuauflage bei einem anderen Verlag herauskommen wird.

Das sind die Voten anderer MUWINSer zu Senators:

Oldiebenji: „Warum hab‘ ich mir bloss in Essen kein Exemplar gekrallt!?! Ich warte dann mal auf die aufpolierte Neuauflage eines anderen Verlags. Denn das wird ein Instabuy!“

Lukebigbosss: „Wolf im Schafspelz finde ich die ideale Bezeichnung für Senators. Es tarnt sich als Kinderspiel (komm schon, das hat definitiv ein 7-jähriger gezeichnet). In Wirklichkeit ist es aber eher ein Vertreter der Sparte „get rich or die trying“. Senators muss aber unbedingt fies gespielt werden: Erpresst eure Mama, eure Kinder und euren besten Kollegen!“


Nachtrag Oktober 2018: Mittlerweile ist eine deutschsprachige Ausgabe von Senators bei Ferti Games bzw. JoeKas World erschienen.

9 comments

  1. Hiho, unsere Spielrunde findet das Spiel auch sehr gut. Kam bisher aber erst zweimal auf dem Tisch. Gibt einfach zuviele Spiele… Wir haben die Regeln beim Erpressen (Extortion) scheinbar anders als ihr ausgelegt. Du schreibst „Dafür gehen wir reihum und nennen jedem Spieler für eine seiner Karten einen Preis“. Bei uns durfte auf jede offen ausliegende Ressourcen-Karte geboten/erpresst werden. Auch mehrfach bei einem Spieler. Finde die Regeln da nicht so eindeutig: Then they may make an offer to each other player for any one of their public cards. Ist aber schon ein wichtiger Unterschied. Wenn ich pleite bin und mehrfach erpresst werden kann, dann tuts richtig weh.

    1. Eins vorweg: Ich habe die Regel in der Rezi bewusst nicht präzise ausformuliert (die Idee sollte einfach durchkommen).

      Aber ganz unabhängig davon interpretiere ich „for any ONE of their public cards“ eben so, dass es einfach EINE beliebige ist. Sonst – so vermute ich – würde da wohl kein „one“ stehen, wenn man mehrfach beim selben Spieler erpressen könnte. Mehrfaches Erpressen empfände ich da auch als zu overpowered.

  2. ja stimmt, Regeldetails langweilen. Haben „any one“ als „irgendeine“ aufgefasst. Hab aber dazu nix im Forum oder eine FAQ gefunden. Nächstes mal spielen wir nur eine Karte pro Spieler, mal gucken ob ich dann wieder letzter werde….

    1. Da hast du’s ja: „irgendeine von ihren öffentlichen Karten“ – ist eben nur eine, nicht „irgendwelche“ oder so. 😉

      1. „Any one card“ ist im Englischen eindeutiger als „irgendeine Karte“ im Deutschen, was man ja normalerweise einfach mit „any card“ übersetzen würde. Eigentlich müsste man also das „-eine“ unterstreichen, oder „eine (unterstrichen) beliebige“ formulieren.

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