Brumm-Brumm… mindestens so beliebt wie Tschu-Tschu gehören Autos wie Züge zum Aufwachsen der meisten Jungs (päägget doch, Genderfanatiker). Die Affinität zu Rennen beginnt entsprechend früh meist mit kindlichen Eigenentwicklungen, wir haben sie uns aber sogar ins aktuell fortgeschrittene Jugendlichenalter (rund 30 bis 50) hinübergerettet. Spiele wie Thunder Alley oder Flamme Rouge gehören nicht umsonst zu den wiederkehrenden Hits auf den MUWINS-Tischen. Kann Downforce als Oldie in neuem Gewand mithalten?
Die Boxencrew von Restoration Games tut genau das, was der Verlagsname verspricht: Sie restauriert alte Perlen und verschafft ihnen, neben einem moderner Äusseren, auch regeltechnisch neuen Schwung. Im vorliegenden Fall durfte Formel Eins, bzw. Top Race von Autorenlegende Wolfgang Kramer herhalten, und es versteht sich, dass sich allenfalls eine andere Legende überhaupt so weit aus dem Wagenfenster lehnen durfte, an der Motorisierung dieses Klassikers herumzuschrauben. Mit Rob Daviau hat man zweifellos einen würdigen Schrauber gefunden.

Dennoch: Grosse Namen alleine sind keine Garanten für Spass am Tisch. Anspruchsvollere Sportspiele, die nicht nur das reale Geschehen einigermassen plausibel abbilden, sondern auch als Spiele überzeugen, sind grundsätzlich eher eine Seltenheit (das fantastische Baseball Highlights 2045 ist eine löbliche Ausnahme) – Rennspiele sind noch am ehesten dazu prädestiniert. Letztendlich lässt sich schliesslich fast jedes Spiel um Punkte irgendwie auch als Wettrennen interpretieren (wer am Ende die Nase vorn hat, gewinnt). Mittlerweile kann diese archetypische Verbindung zwischen Renn- und Brettspiel aber als Kaufargument alleine nicht mehr ausreichen – auch Rennspiele müssen mehr bieten.
Thunder Alley fokussiert dazu einerseits auf den Teamaspekt mit rasch wechselnden Bündnissen sowie auf die NASCAR-typischen Rumgeproll- und Blechbeschädigungsereignisse (die man dort auch spielerisch geniessen darf, ohne sich sonst in irgendeiner Form für NASCAR zu interessieren). Flamme Rouge setzt mit einfachsten Mitteln höchst erfolgreich die für Radrennen typischen „Feldpolitik-“ und Ermüdungseffekte um.
Downforce geht einen gänzlich anderen Weg. Nur grundlegendste Basics eines Autorennens werden hier überhaupt dezent angetönt (etwa, dass das Überholen in Kurven eine saumässig hakelige Angelegenheit ist), stattdessen wird das Renngeschehen zusätzlich durch ein Wettsystem angereichert. In jeder Partie treten sechs Fahrzeuge an, jeder Spieler steuert mindestens eines davon. Welches das ist, wird durch eine vorgängige Versteigerung festgelegt. Als Anhaltspunkt, für welche Karre man wohl möglichst selber die Verantortung übernehmen sollte, dient eine zuvor verteilte Kartenhand, mit der sowohl die Bietphase wie auch das anschliessende Rennen bestritten werden. Das war so auch schon in der älteren Version der Fall. Neu ist hingegen, dass mit jedem Fahrzeug auch eine Sondereigenschaft versteigert wird. Zusammen mit dem vorher festgelegten Startplatz verfügt man also über eine einigermassen solide Basis als Grundlage der Investitionsentscheidung.
Die sechs individuellen Eigenschaften sind dabei sehr unterschiedlich – bezüglich ihrer Auswirkungen, wie (so unser Eindruck) auch ihrer Spielstärken. Eigentlich ist das kein Problem, da stärkere Eigenschaften dann einfach durch höhere Gebote ausgeglichen werden. Dazu zwei Anmerkungen: Wenn sich die Dinger schon selber ausbalancieren wäre es nett gewesen, über die sechs enthaltenen Eigenschaften hinaus ein wenig mehr Abwechslung zu liefern (höre ich da jemanden im Hintergrund leise „Erweiterung“ rufen?). Zweitens wäre es (hypothetisch) möglich, dass eine der Eigenschaften derart stark sein könnte, dass sie sich dennoch nur schwer bändigen lässt.

Das Bieten läuft nämlich folgendermassen ab: Eine der sechs Karten (für jedes Fahrzeug eine) mit dem Wert „8“ wird umgedreht, dazu eine der Eigenschaftskarten. Auf diese Kombination wird nun mit den Handkarten geboten (abgelegt und gleichzeitig aufgedeckt). Der höchste Wert erhält die Hoheit über diesen Wagen (Gleichstände werden geregelt, aber das ist hier egal), sowie die einzige 8erkarte der Farbe. Da die normalen Handkarten lediglich Geschwindigkeiten von 1 bis 6 zeigen, ist das höchstmögliche Gebot… 6M! Fährt man als Sieger über die Ziellinie, bringt dies dem Teambesitzer 12M, netto also 6M Gewinn. Der zweite Platz kassiert zwar immer noch 9M, bei einem durchschnittlichen Bietpreis von 3.5M liegt die potentielle Gewinnmarge aber knapp unter der kleinstmöglichen des Siegers.
Als erster ins Ziel zu röhren ist folglich zwar eine wichtige, jedoch nicht die einzige Möglichkeit, sein Kapital anzuhäufen. Drei mal während des laufenden Rennens darf auf das zukünftige Siegergefährt gewettet werden. Dabei markiert man auf dem persönlichen Wertungsblock den Favoriten, bei einem Zieleinlauf unter den ersten drei gibts dafür Kohle in absteigender Menge. Auch hier würde eine (immer noch rein hypothetisch) zu starke Eigenschaft dazu führen, dass einfach alle auf dieselbe Farbe setzen. Und das wäre schade, da man das Spiel in diesem Fall mehr oder weniger in die Tonne treten könnte.

In unseren ersten Partien hat eine Eigenschaft tatsächlich derart dominiert, dass wir diesbezüglich schon Schlimmstes befürchteten. Mit zunehmender Erfahrung hat sich dann aber glücklicherweise gezeigt, dass die Interaktion zwischen Startreihenfolge, Kartenhand und Sondereigenschaft doch ausschlaggebend ist. Eine starke Eigenschaft, die früh vorne wegkommt, mag einigermassen schwer zurückzubinden sein – unmöglich ist es aber nicht. Andererseits ist es relativ einfach, Fahrzeuge auszubremsen und in Kurven zu blockieren. Downforce funktioniert dann am besten, wenn alle Piloten wissen, was sie tun, und die individuellen Stärken und Schwächen ihrer Gegner kennen. Das alleine ist ja schon wieder ein thematischer Pluspunkt.
Ach ja, das Rennen selber. Die Rennregeln sind denkbar einfach: Es beginnt das Fahrzeug in der markierten Poleposition, danach geht es im Uhrzeigersinn (für Chinesen und Schweizer gerne auch dem Clapf nach) reihum. Wer am Zug ist, spielt eine Karte aus und befolgt von oben nach unten die Farben- und Zahlenwerte, indem das entsprechende Fahrzeug um die Felderzahl weitergezogen wird (immer nur geradeaus oder diagonal vorwärts, seitwärts liegt nicht drin). Ein weisser Balken ist „wild“ und darf als beliebige (ansonsten nicht auf der Karte enthaltene) Farbe genutzt werden. Ähnlich wie im Klassiker Ave Caesar spielen Blockaden eine herausragende Rolle (fragt Mattthecrow, er kennt sich da prima aus). Wer in der Startreihenfolge weit hinten liegt, ist oft in akuter Gefahr, erst mal an der Startmarkierung stehen gelassen, abgewürgt und kaltgestellt zu werden. Muss nicht. Kann.

Gegenüber dem Original wurden ausserdem die Pannen-Karten eliminiert. Auch ohne sie ist es aber aufgrund ausreichend häufiger fieser Moves (ja, die soll es an den MUWINS Tischen ab und zu geben) möglich, dass es nicht alle Fahrzeuge zurück ins Ziel schaffen, wodurch sie ganz aus der Platzwertung fallen und ihre Besitzer allenfalls noch einen theoretischen Anspruch auf den Spielgewinn erheben dürfen.
Am Ende wird die eingefahrene Platzprämie zu den drei Wettergebnissen dazugezählt, nach Abzug des Bieteinsatzes erhält man das Endergebnis, die meiste Kohle gewinnt.

Wer eine Rennsimulation sucht, wird mit Downforce nicht wirklich glücklich. Dazu ist das Geschehen auf der Strecke zu stark abstrahiert. Will jemand Benzin schnuppern und die Pitcrews schwitzen sehen (oder meinetwegen auch umgekehrt), dann rate ich immer noch zu Thunder Alley. Ist hingegen ein spannendes Biet- und Rennspiel gesucht, das beide Apekte nicht ganz todernst nimmt, dabei aber durch deren Zusammenspiel ein jederzeit witziges, interaktives, schnell gespieltes Rennerlebnis abliefert, darf – nein sollte man unbedingt ein Auge auf das sogar gelegenheitsspielertaugliche Downforce werfen.
Die zeitgemässe Aufmachung wie auch die Regeländerungen bringen locker den versprochenen neuen Schwung ins Geschehen, Erweiterungen in Sachen Rennstrecken und zusätzlicher Sondereigenschaften wären sehr gern gesehen*. Und da man sich hier so richtig gegenseitig auf den Geist gehen kann, wird Downforce, ganz im Sinne seiner Namensgebung, neben anderen Brumm-Brumm-Spielen noch lange an uns haften bleiben.
Black, Blue, Green, Orange, Yellow, Red? Pfff….das hat aber Thunder Alley besser gemacht aus storytechnischer Sicht. Ist ja wie ‚farbige Klötzchen‘ sammeln bei Euros. 😛
Ansonsten sieht es aber gut aus. Scheint für jeden was dabei zu sein und ich finde es gut wenn nicht bloss ein Element (als erster ins Ziel) für die Siegentscheidung gezählt wird. Ich fand auch den Ansatz bei Thunder Alley ziemlich gelungen, in dem das ganze Team gewertet wird und nicht welches Auto als erster im Ziel ist. Das bietet auch nochmal ganz andere Strategiemöglichkeiten.
Und der verfügbare Muwins-Faktor ist hier natürlich auch nicht zu verachten.
Dann noch ein bisschen Korrektur-Nazitum: Dem Chlapf nach und Uhrzeigersinn? Für mich stimmt das ja, aber sonst werde ich immer angefaucht wenn es heisst es gehe dem Chlapf nach und dann gebe ich nach links aus. 😉 (Die Chinesenreferenz habe ich übrigens nicht kapiert.
Extrapunkte gibts dafür für ‚Benzin schwitzen und Pitcrew schnuppern‘ (oder wie war das noch gleich?).
Schönes Review!
Chinesen wie Schweizer verteilen Karten dem (Rechtshänder) Chlapf nach. Tichu-Spieler wissen sowas 😉
Und überhaupt: Zeig dich halt mal wieder – dann werden wirs dir schon zeigen!
Ach so, dann ist […]danach geht es im Uhrzeigersinn (für Chinesen und Schweizer gerne auch dem Clapf nach)[…] so zu verstehen, dass es eigentlich im Uhrzeigersinn geht, aber Chinesen und Schweizer es auch gerne im Gegenurzeigersinn spielen dürfen?
Genau. ABER NUR DIE!
und was das wiedermal zeigen betrifft: Gerne. Aber dieses Jahr wohl nicht mehr.