Ich habe Sami Laakso, Designer und Zeichner von Dale of Merchants sowie Gründer des Verlags Snowdale, an der Spielemesse im Jahr 2016 kennengelernt. Damals habe ich in meinem jugendlichen Übermut seinem Mitarbeiter angeboten, um die Erweiterung von Dale of Merchants zu zocken. Der Herr im Haus, Sami, willigte nur unter der Bedingung ein, dass ich bei einer Niederlage auch die Spielmatte kaufen müsse. Mein Selbstvertrauen sank in den Keller der Messehallen und ich ging nicht auf seinen Vorschlag ein.
In diesem Moment habe ich den sympathischen finnischen Verlag Snowdale ins Herz geschlossen. Nach einer ersten Recherche fand ich heraus, dass Sami alle Geschäfte als „One-Man-Show“ betreibt. Dies hat mich schwer beeindruckt. So sehr, dass ich mich entschlossen habe, im Rahmen unserer Serie „Making of…“ ein Interview mit ihm zu führen und unseren treuen Lesern einen Blick hinter die Kulissen des kleinen Verlages zu erlauben.
To the English version / Zum Original in Englisch (without pictures)
MUWINS: Dale of Merchants und das im Frühling 2018 erscheinende Dawn of Peacemakers (aktuelles Kickstarterprojekt läuft bis Ende November) sind in die Welt von Daimyria eingebettet. Wie hast du diese Welt kreiert? Wurdest du bei deren Gestaltung von traditionellen Fantasy-Büchern oder -Filmen inspiriert?
Sami Laakso: Zuerst wurden die Tiervölker für Dale of Merchants geschaffen. Aufbauend auf diesen entstand Daimyria. Die verschiedenen Völker wurden mit der Absicht kreiert, den Spielstil des jeweiligen Decks wiederzugeben und gleichzeitig so glaubwürdig wie möglich zu erscheinen. Zudem soll sich Daimyria real anfühlen, ein Ort, der wirklich existieren könnte, wenn es in unserer Welt etwas anders gelaufen wäre.
Da ich nicht der einzige bin, der für Daimyria verantwortlich ist, kann ich nur für mich persönlich sprechen. Mehrere Personen haben dabei geholfen, den Lebensraum von Daimyria auszuarbeiten. Die ursprüngliche Idee war ziemlich einfach: Tiere, die sich wie Menschen verhalten. Wir haben keine einzelnen Medien als Inspirationsquellen benutzt, sondern eine Ansammlung von Kenntnissen aus unseren lebenslangen Erfahrungen.
MUWINS: Die spezifische Charakterisierung der Tiervölker und die einzelnen Aktionen passen perfekt zu Tier und Zweck der Karten. Ich sehe einen Waschbär, der den Apfel meines Gegners stiehlt, oder das Chamäleon, das sich einer neuen Situation des Marktes anpasst.
Hast du mit dem Design der Tiervölker angefangen und basierend darauf immer die passenden Aktionen entwickelt? Oder hast du mit einem Mechanismus begonnen, eine Enzyklopädie geöffnet und nach einem geeigneten Tier gesucht? Gab es irgendwelche Spiele, die die allgemeinen Mechanismen von Dale of Merchants beeinflusst haben?

Sami Laakso: Ausschlaggebend für Dale of Merchants waren die Mechanismen. Ich habe das Thema und die Tiervölker nach ein oder zwei Spielen extrem schnell hinzugefügt. Die Karteneffekte wurden zunächst nicht mit verschiedenen Themen gebündelt. Das entstand erst aus der Erkenntnis, dass das Spiel mit den Vorlieben und Spielstilen verschiedener Spieler übereinstimmen könnte, wenn die Decks thematisiert wären. Nachdem wir für jedes Deck ein passendes Tiervolk gefunden hatten, dachten wir lange und hart darüber nach, für jede Karte den bestmöglichen Gegenstand zu finden, damit dieser sowohl zur Karte/Aktion wie auch zum jeweiligen Tiervolk passt.
Man könnte sagen, dass ich mich von Deckbau-Spielen im Allgemeinen inspirieren liess. Ich hatte nicht allzu viele von ihnen gespielt, bevor ich Dale of Merchants entwarf. Aber eines war klar: Diese Spiele sind nicht mein Fall. Deshalb kommen viele der typischen Deckbauelemente in Dale of Merchants nicht vor. Man könnte sogar sagen, dass es eher ein Handkartenmanagementspiel ist.
MUWINS: Du veröffentlichst deine Spiele mit Hilfe von Kickstarter. Wie wichtig ist dieses Instrument für dich, für ein kleines Unternehmen wie Snowdale? Wie siehst du die Entwicklung von Crowdfunding? Während den letzten Monaten sah man auch Spiele von grossen Verlagen wie Queen Games. Stellt diese Entwicklung für die “kleine” Konkurrenz ein Problem dar?
Sami Laakso: Kickstarter war definitiv eine grosse Hilfe für mich und andere Kleinverlage. Ohne diese Möglichkeit würde ich nach wie vor Internetseiten für Unternehmen gestalten. Nur durch Kickstarter war die Realisierung der ersten Ausgabe von Dale of Merchants und Dale of Merchants 2 finanzierbar.
Durch das Wachstum von Kickstarter, vor allem im Bereich der Brettspiele, wurde das Angebot auch für grössere Verlage interessant. Die Nutzung als reine Pre-Order Plattform war jedoch nicht das ursprüngliche Ziel der Entwickler. Trotz allem müssen wir jedoch bedenken, dass sogar die meisten grossen Brettspielverlage relativ klein sind und nur von einzelnen Personen geführt werden.

MUWINS: Dank Crowdfunding wird eine breitere Palette an unterschiedlichen Spielen produziert. Die Quantität an Veröffentlichungen nimmt zu. Wie sieht es mit der Qualität aus? Hast du Bedenken, dass deine zukünftigen Spiele in der Masse verloren gehen?
Sami Laakso: Die Quantität an neuen Veröffentlichungen würde sehr wahrscheinlich auch ohne Kickstarter wachsen. Brettspiele werden immer populärer. Kickstarter ermöglicht in erster Linie, die üblichen “Türsteher” zu umgehen. Obwohl mit Hilfe von Crowdfunding nun auch qualitativ weniger gute Spiele veröffentlicht werden, ist meiner Meinung nach der generelle Effekt auf die Brettspielszene jedoch im hohen Masse positiv.
Ich habe keine Angst, dass meine Veröffentlichungen in der Masse verloren gehen. Es war immer mein Ziel, spannende und lustige Spiele zu kreieren. Ausserordentliche Produkte sprechen für sich selbst und erhalten die verdiente Aufmerksamkeit. Wenn ich dies nicht erreichen kann, gebe ich einzig mir selber die Schuld und nicht anderen Verlagen oder Kickstarter.
MUWINS: Wir haben uns an der Spielemesse 2016 das erste Mal getroffen. Wie wichtig sind Ausstellungen und Kongresse für den Brettspielmarkt, für Snowdale? Bist du der Ansicht, dass diese Art von Direktmarketing und Verkauf verschwinden könnte?
Sami Laakso: Messen sind sehr wichtig für uns. Hier treffen wir unsere Kunden und unsere Konkurrenz und können mit ihnen langfristige Beziehungen knüpfen. Auf den ersten Blick ist nicht ersichtlich, warum der Kontakt zu anderen Verlagen für uns wichtig ist. Wir veröffentlichen unsere Spiele ja selber, oder? Dale of Merchants wurde aber nur dank unseren Partnern in mehreren Märkten in unterschiedlichen Sprachen veröffentlicht. Diese Möglichkeiten ergeben sich während einer Messe und beim Treffen von Personen im realen Leben.
Zudem gibt es nichts, was aufregender ist, als mit Leuten zu sprechen, die deine Spiele lieben.
MUWINS: Du bist gleichzeitig der Zeichner und der Designer von Dale of Merchants und Dawn of Peacemakers. Daneben bist du der CEO, der CFO und der COO von Snowdale. Ist es weiterhin möglich, als “one-man-band” in der Brettspielindustrie zu überleben? Könntest du dir vorstellen, Teile deiner Arbeit an andere Zeichner, Designer auszulagern? In der Vergangenheit hast du mit LudiCreations zusammengearbeitet. Wie weit ging diese Kooperation?
Sami Laakso: Es ist möglich eine “One Man Show” zu sein. Ich würde es nur niemandem empfehlen: Es ist hart und frisst eine Unmenge an Zeit. Trotzdem: Ich liebe es. Ich habe bereits und werde auch in Zukunft weiterhin Arbeiten ausgliedern (Papierarbeiten, Voice-overs). Jeder sollte sich auf die Dinge konzentrieren, bei denen er/sie sich auszeichnet.
Kickstarter ist nicht in allen Ländern zugänglich. Deshalb haben wir mit LudiCreations kooperiert, damit ein Crowdfunding überhaupt möglich war.
MUWINS: Dawn of Peacemakers ist dein zukünftiges kooperatives Spiel. Darin spielen wir Abenteurer, die gemeinsam Frieden in der unfreundlichen Welt Daimyria herstellen müssen. Das Spiel beinhaltet eine Reihe an einzigartigen Szenarien, viele Geheimnisse und Überraschungen. Das hört sich nach einem Legacy-Spiel an. Liege ich richtig mit meiner Annahme?
Sami Laakso: Du liegst zu einer Hälfte richtig, zur anderen falsch. Ich habe versucht, meine Lieblingselemente von Legacy-Spielen für Dawn of Peacemakers zu übernehmen. Dabei handelt es sich vor allem um szenarienübergreifende Geschichten und Überraschungen. Was ich nicht als wichtig empfinde, ist das Verändern des Spielmaterials oder dessen Zerstörung. Ich habe das Spiel und die unterschiedlichen Kampagnen mit diesen Beschränkungen entwickelt.

MUWINS: Kannst du uns etwas von der gefährlichen Welt von Daimyria und den darin vorkommenden Abenteurern, wie etwa der Wüstenfüchsin Akezan, erzählen? Besitzen die Abenteurer Spezialfähigkeiten?
Sami Laakso: Wie bereits diskutiert, war das Ziel, Daimyria so real und glaubwürdig wie möglich zu gestalten. Unglücklicherweise heisst dies für dessen Bevölkerung, dass es zu Konflikten kommen kann. Vor allem im Zeitalter von Dawn of Peacemakers kommt dies häufiger vor. Diese Periode findet mehrere Jahrhunderte vor dem friedlichen Zusammenleben von Dale of Merchants statt.
Über Akezan etwas mit Sicherheit zu sagen, ist schwierig. Sie ist bekannt als Trickbetrügerin. Daimyria ist reich an Gerüchten über sie, bestätigt wurden jedoch noch keine davon.
Abenteurer haben zumindest zu Beginn der Kampagne keine Spezialfähigkeiten…

MUWINS: Dawn of Peacemakers und Dale of Merchants spielen in derselben Welt. Bis auf das Thema sind sie völlig unterschiedlich. Hast du von Anfang an geplant, mehrere Spiele mit dem gleichen thematischen Background zu kreieren? Gibt es in Zukunft noch weitere Daimyria-Spiele? Möglicherweise ein Area-Control-Spiel mit tausenden Minis?
Sami Laakso: Ich habe zuerst nicht geplant, mehrere Spiele in die gleiche Welt zu setzen. Ursprünglich war nicht einmal eine Welt für Dale of Merchants geplant. Nachdem ich mit einem Kollegen über die Flavourtexte gesprochen hatte, wurde ersichtlich, dass die Gestaltung des Lebensraums, der Umgebung der Tiervölker, dem Spiel eine gewisse Würze verleihen kann. Daimyria hat mir dann so gut gefallen, dass ich beschlossen habe, mehr Spiele mit diesem Setting zu veröffentlichen und diese Geschichten mit anderen zu teilen.
Dawn of Peacemakers lässt dich deine persönliche Geschichte entwickeln. Du bist dein eigener Held.
MUWINS: Lieber Sami, wir bedanken uns für das spannende Interview. Du hast uns einen einmaligen Einblick in den Kreationsprozess eines Brettspiels ermöglicht und aufgezeigt, wie wichtig Crowdfunding für die Verlage ist. Für dein aktuelles Kickstarterprojekt wünschen wir dir alles Gute. Wir freuen uns, das wunderschöne Dawn of Peacemakers bald auf unseren Tischen begrüssen zu dürfen. Ausserdem hoffen wir, dich im nächsten Jahr wiederum in Essen zu sehen.
Die kurze Demorunde in Essen hat uns ein spannendes und innovatives Spiel gezeigt. Wir agieren als kleine Friedenstruppe, die viele Tricks im Ärmel hat. Ob Vergiftungen, Schubsen vom Turm, Irreführungen der Truppen, gezielte Verschleierungen oder traditionelle medizinische Hilfeleistungen – keine Massnahmen bleiben ungenutzt, um der daimyrischen Bevölkerung den Frieden zu bringen.
Von MUWINS gibt es eine klare „Back den heissen Scheiss!“-Empfehlung… Ihr habt noch einige Tage Zeit!
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