MUWINS Top 3: Was kommt zu selten auf den Tisch?!

Kurz bevor wir uns an die Essen(s)tische setzen, wollen wir innehalten und uns besinnen, was denn alles viel zu selten auf Selbigen serviert wird. Dies dürften voraussichtlich die schwierigsten Top 3 bisher werden, denn die Auswahl guter Spiele ist gross, die Spielzeit hingegen allzu knapp. Aber eben – es gibt nur wenige Herausforderungen, denen sich die MUWINS nicht stellen würden – und seien sie noch so aussichtslos…


Platz 3

pic354500mratn: Das Spiel dauert schier zu lange – zusätzlich benötigt es grössere Gruppen, um das beste Spielerlebnis zu bieten. Schade, denn Battlestar Galactica ist locker eines der besten (semi)kooperativen Spiele auf dem Markt (vor allem auch, da es als solches – und nur als solches – konzipiert wurde). Die ständige Unsicherheit darüber, wer wohl ein Zylone sein könnte und wer nicht, prägt das Spielerlebnis. Jede Entscheidung könnte die Spieler in Verdacht bringen. Wer verbraucht denn so viel Treibstoff? Wer hilft zu wenig mit beim Kampf gegen die Zylonenjäger? Wen sollten wir lieber in Quarantäne halten? Dreistündige (?!?!) Spannung garantiert!

pic3246725lukebigbosss: Ich habe Navegador schon zig Male zu einem Muwinsabend mitgenommen. Nie wurde es ausgewählt. Schade eigentlich, denn es handelt sich um einen tollen Vertreter der Rondellenspiele. Vielleicht ist es unserer Zunft trotz spannendem Setting (Zeitalter der Entdeckungen im 15./16. Jahrhundert) zu wenig interaktiv. Es gibt keine Seeschlachten, kein hinterhältiges Abstechen und kein Gerüchte in die Welt setzen. Trotzdem mag ich Navegador. Das liegt vor allem am hervorragenden Marktmechanismus (bei grosser Nachfrage steigt der Preis – Basics halt!), an der tollen Ausstattung und an der Vielzahl der Möglichkeiten.

unconsurrenderOldiebenji: Unconditional Surrender: World War 2 in Europe (USE) ist ein Sandkasten. Je nach Lust und Zeit krallt man sich ein grösseres oder kleineres Szenario, und schwupps ist man Herr über Flotten, Luftgeschwader, Armeen, von der ganzen Logistik, die so ein Feldzug mit sich bringt, ganz zu schweigen. USE ist auf seine Weise elegant, denn all diese Elemente greifen logisch ineinander. Wer gern (vorsicht, es folgt ein Schlagwort) vernetzt denkt, kommt hier auf seine Kosten, für Planungsliebhaber ist das Spiel ein Tummelplatz. USE ist ungewöhnlich, denn es bricht mit vielen herkömmlichen Wargame-Traditionen. Kleines Beispiel gefällig? Ok, so viel Zeit muss sein: Statt geheimnisvoller Zahlenreihen zeigen die Einheitenplättchen ein Symbol. Keine Zahlen, nada, nix. USE ist aber dummerweise – und zwar trotz seiner Eleganz – recht komplex (nicht kompliziert!). Die Komplexität ergibt sich auch durch das oben erwähnte Ineinandergreifen aller Elemente, und sie ist leider dann doch so, dass man sich immer wieder neu und ausführlich in die Regeln vertiefen muss, hat man USE mal eine Weile zur Seite gelegt. Das sollte man also am besten gar nicht erst tun, aber leider, leider…

magisternavisMattthecrow: Das Problem liegt auf der Hand: Spiele, welche die Errichtung eines Empires zum Thema haben, gibt es schlicht zu viele. Nicht alle schaffen aber die gesunde Balance zwischen strategischer Tiefe und Spiellänge. Wenn zu kurz, werden die grauen Zellen zu wenig gefordert, wenn zu lange, artet es oft in einen Salat aus Regeln, Countern und Karten aus. Während 90 Minuten schickt man in Magister Navis seine Schiffe los, um die weite Welt zu erkunden. Neue Städte werden gegründet, feindliche kurzerhand okkupiert und die ergatterten Reichtümer nach Hause geschickt. Dank der Auswahl an Gebäuden, von denen man jede Runde eines bekommt, lassen sich viele verschiedene Strategien ausprobieren. Vielleicht ist das Ganze einen Tick zu abstrakt oder die Konkurrenz schlicht zu gross, so dass es Magister Navis einfach nie auf den Tisch schafft.

korsarenShotgun Pete: Pirates! war eins meiner ersten Computerspiele und ist für mich auch heute noch absoluter Kult. Mit Korsaren der Karibik wurde die perfekte Brettspielumsetzung dafür geschaffen: Auf einer lausigen Nussschale beginnt man sein Abenteuer und verdient sich erstmal etwas Geld mit Handel und Transport von Waren. Dieses wird in ein grösseres Schiff, mehr Kanonen und Männer investiert… bis die Versuchung zu gross wird und man den Jolly Roger hisst, Handelsschiffe jagt, selbst von Piratenjägern gejagt wird und als Geächteter immer weniger Anlaufstationen in den Häfen der Kolonialstädte findet. Aber wer will schon als Kaufmann gewinnen, wenn man stattdessen als gefürchtetster Korsar der Karibik in die Geschichtsbücher eingehen kann? Und die noch viel drängendere Frage: Wieso landete dieses Spiel trotz zahlreicher Versuche noch nie auf einem muwinsumsessenen Tisch?!


Platz 2

ohnefurchtmratn: Es war eines meiner ersten Lieblingsspiele. Die zentrale Rollenauswahl von Ohne Furcht und Adel garantiert – dank der grossen Interaktion –  in jeder einzelnen Partie zahlreiche MUWINS-Momente. Mit dem Meuchler den führenden Magier umzulegen, als Dieb den stinkreichen König zu bestehlen oder als Söldner den Palast des Mitspielers zu zerstören, macht einfach enorm Spass und garantiert Spannung bis kurz vor Schluss. Das Spiel ist mit einer Spielzeit von höchstens einer Stunde zudem für jede Gruppe und jeden Abend eine gute Alternative.

cover_funken_delukebigboss: Der Zeitaufwand für eine Partie Funkenschlag ist enorm. Das sollte jedoch kein Hindernis für uns sein – man beachte nur die vorgestellten Spiele auf unserer Seite. Vielmehr liegt es meines Erachtens am Alter von Funkenschlag. Immer kommen neuere Wirtschaftssimulationen den Netzwerkbetreibern in die Quere. Food Chain Magnate  oder Crisis drängen auf das Podest der Spiele der Ökonomie. Über das schlussendliche Ranking kann man streiten, sicher ist aber, dass Friedemann Friese einen Klassiker geschaffen hat. Liebe 2-F Spiele: Wann gibt es eigentlich eine reine Schweizer Karte?

bhOldiebenji: Ich weiss wirklich nicht, was uns immer wieder in die Quere kommt. Wir haben’s uns schon so oft vorgenommen, und es dann irgendwie doch nicht geschafft! Die Expansionen wären da, die zusätzlichen Starterteams ebenfalls. Baseball Highlights 2045 wäre nicht nur ein wunderbares Duell, sondern wie geschaffen für ein Turnier mit mehreren Mann-, Cyborg- und Roboterschaften, bei grösserer Spielerzahl gern mit einer Gruppenphase und anschliessenden Playoffs… ein Sportspiel höchster Güte. Wann endlich, wann….

pic1640388Mattthecrow: Wir erkunden die Inseln in der neuen Welt, sacken Rohstoffe ein, verkaufen diese (Archipelago hat ein tolles Angebot- und Nachfragesystem) und zivilisieren die wilden Eingeborenen. Das ist lustig – bis die ersten Krisen auftauchen und die Eingeborenen oder unser Heimatland in Europa die mühsam gewonnenen Rohstoffe haben wollen. Kriegen wir die gewünschten Güter unter uns Spielern nicht zusammen, werden die guten Untertanen grantig und es droht eine Revolution, bei der alle am Tisch aus dem Paradies geworfen werden und das Spiel verlieren. Semikooperativ nennt sich das. Nur einer kann gewinnen, aber alle zusammen verlieren. Normalerweise funktioniert dies bei uns MUWINsern nicht. Wir würden lieber hunderte Male selber verlieren, als einen von uns gewinnen zu lassen. Hier hat Archipelago aber einen genialen Twist eingebaut. Vielleicht will einer am Tisch die Revolution. Er würde in diesem Fall gewinnen. Da die verschiedenen Ziele unter den Spielern geheim verteilt werden, ist diese Möglichkeit in jeder Partie vorhanden. Plötzlich findet das wahre Spiel quasi zwischen den Zeilen statt. Harte Verhandlungen und unausgesprochene Verdächtigungen sind Alltag. Naja, wären Alltag. Weil Archipelago ständig hinten anstehen muss und nicht auf den Tisch kommt.

arkhamhorrorShotgun Pete: Ja genau, Arkham Horror – das Brettspiel. Das erste, das mich so komplett in den Bann zog, dass ich mir nicht nur etliche Erweiterungen zulegte, sondern letztendlich überhaupt dem Hobby Brettspiel komplett anheim fiel. Und doch sitzt es nun seit ziemlich genau einem Jahr ungespielt in meinem Regal. Nicht nur, weil meine Kollegen hier nur schwer dafür zu begeistern sind, sondern auch aufgrund des ordentlichen Zeitaufwands, den es für sich in Anspruch nimmt: Bis die Ermittler ausgerüstet, die Monster vorsortiert und die Kartenstapel alle gemischt, auf die gewählten Erweiterungselemente und den Grossen Alten (Sack) abgestimmt sowie auf dem Tisch parat gelegt sind, ist man bei anderen Spielen bereits wieder am zusammenpacken. Dennoch und gerade auch deswegen liebe ich dieses Spiel, denn es liefert immer wieder ein denkwürdiges Erlebnis.


Platz 1

pic1246187mratn: Es gibt einfach zu viele Strategie-Spiele! Unter anderem müssen auch Cry Havoc, Game of Thrones – The Board Game oder Inis  zurecht – gespielt werden, wobei natürlich die alten Klassiker darunter leiden, und dies obwohl sie es immer noch drauf haben. So zum Beispiel Rex – Die letzten Tage eines Imperiums, das eine mindestens zweistündige Weltraumschlacht simuliert. Das Spiel brilliert in allen Belangen: erwähnenswert sind zum Beispiel die sich immer wieder verändernden Siegbedingungen. Wenn sich etwa zwei oder mehr Spieler alliieren, können sie zwar gemeinsam gewinnen, müssen aber dazu schwierigere Bedingungen erfüllen. Und natürlich können – MUWINS-Style – Allianzen auch wieder gebrochen werden, aber natürlich nur im offiziellen Rahmen. Auch das Kampfsystem verdient eine kurze Würdigung, welches sehr viel Strategie zulässt, dennoch schnell und kurzweilig daherkommt. Rex – Die letzten Tage eines Imperiums hat definitiv mehr Zeit auf dem Tisch verdient.

51yDrXS9TRL._SY450_lukebigbosss: Grundsätzlich ist schnell erklärt, warum Twilight Struggle nicht allzu oft gespielt wird: Muwinser bewegen sich meistens in Gruppen! 2er Partien sind die Ausnahme der Regel. Falls wir uns jedoch trotzdem alle Schaltjahre mal zu zweit treffen, ist die Auswahl an tollen und kaum gespielten Wargames (siehe diese Liste) endlos lang, so dass die Wahl sehr selten auf den ehemaligen Führenden des BGG-Rankings fällt. Wer sich nun fragt, was an Twilight Struggle so toll sein soll, hat bestimmt die letzten Jahre verschlafen. Der kalte Krieg wird in diesem Spiel extrem spannend dargestellt. Die beständige Gefahr des nuklearen Schlags, die Bedrohung durch politische Umstürze, die Finanzierung ferner Kriege oder die Beeinflussung von fremden Regierungen! Alles Argumente, die für eine weitere Partie sprechen! Wer hat Lust dazu?

combatcommanderOldiebenji: Nein, ich bin kein exzessiver Wargame-Fetischist, aber ja, auf meinem ersten Platz steht – und zwar mit nicht unerheblichem Vorsprung – trotzdem nochmal eins. Der Vorsprung rührt daher, dass alle Ausflüchte, die man bei USE vielleicht noch anführen konnte, hier wirkungslos verpuffen: Combat Commander landet mit einem der besten Regelwerke der Spielegeschichte in der guten Stube. Alles befindet sich dort, wo man’s sucht, alles ist klar, widerspruchsfrei und eingängig. Das allein wäre schon erwähnenswert genug, kommt aber dazu, dass Combat Commander Hollywood pur auf den Tisch zaubert: Das System sorgt immer wieder für filmreife Szenen, dramatische Überraschungen, spannende Verzweiflungsaktionen und abwechselndes Haareraufen. Eine verirrte Artilleriegranate setzt ausgerechnet das Kornfeld in Brand, in dessen Deckung wir vorrücken wollten ? Ein verstreuter Spähtrupp taucht unverhofft aus dem Unterholz auf und schliesst sich uns an? Die perfekte Mischung aus Realismus und Action hätte ein weiteres Tischgastspiel schon ewig lange verdient.

korsarenMattthecrow: Korsaren der Karibik ist DAS Piratenspiel schlechthin. Hier ist auch sofort klar, wieso wir viel zu wenig in See stechen um uns mit Kanonen uns Säbeln den nötigen Respekt zu verschaffen. Das Spiel ist nur zu viert wirklich gut und dauert schnell mal mehr als drei Stunden. Die vielen Regeln und Details verunmöglichen einen einfachen Einstieg. Wer sich aber durch kämpft wird mit einem schönen Abenteuer in der Karibik belohnt. Die Geschichten, die während dem Spiel entstehen, sind toll und machen oft so viel Spass, dass das Punktesammeln zur Nebensache wird. Eine MUWINS-Runde haben wir immer noch nicht hingekriegt. Die Konkurrenz auf dem Spieltisch sollte man wohl mal kielholen.

navajowarsShotgun Pete: Navajo Wars und Comancheria auf dem geteilten ersten Rang – die genialen und ungemein thematischen „Indianerkrieg“-Spiele von Joel Toppen mit ihrer einzigartigen KI sind zweifelsohne mit das Beste, was der passionierte und ausdauernde Solospieler auf seinem Tisch ausbreiten kann. Und doch muss ich peinlicherweise gestehen, dass bald zwei Jahre vergangen sind, seit ich letztmals mit den Navajo die nimmersatten Kolonialisten zum Teufel jagte. Und ihre Nachbarn, die tapferen Comanche, hausen zwar seit Ende 2016 in meinem Regal, durften ihre Reit- und Kampfkünste jedoch noch nie ausserhalb ihres Kartonreservats vorführen. Das jetzt auch noch die Neuauflage von Fields of Fire ins Haus geflattert kam und Essen vor der Tür steht, lässt mich Schlimmes (oder zumindest nicht gerade Spannendes) für diese stolzen Urnationen ahnen…


HIER geht’s zu den weiteren „MUWINS Top 3“ Listen.


Was haltet ihr von unserer Auswahl? Und was kommt bei euch viel zu wenig auf den Tisch? Wir sind gespannt auf eure Kommentare! 

9 comments

  1. Sehr schöne Aufstellung, kann ich unterschreiben. mratn bringt es auf den Punkt : Es gibt zu viele Strategiespiele, sogar zu viele gute.

    Möchte dem unvermeidlichen Twilight Struggle noch hinzufügen:

    Earth Reborn: Der beste Taktikshooter mit 3 Stunden Spielzeit

    Washingtons War: Nie wurde der Area Control Mechanisierung aus Go eleganter in einem Wargame versteckt.

    und (mit Abstand):
    Android Netrunner: Das großartigste, thematisch dichte, asymmetrische Cyber LCG das nie auf den Tisch kommt 🙁

    1. Danke für deine Top 3! Bei Washingtons War muss ich allerdings persönlich ein thematisches Fragezeichen setzen. Ich hab‘ nie verstanden, warum die Leute die Revolution links liegen lassen sollten, nur weil in den Nachbardörfern auch alle gleicher Meinung sind 😉

    2. Earth Reborn war definitiv auch ein Kandidat bei mir – da ich es aber kürzlich bei den Top 3 Zweispielerspielen erwähnt hatte, gab’s dieses Mal was anderes.

  2. @hugolefou zu deinem Platz 2-Problem: Wir schulden uns weiterhin eine Eldrtich-Partie – und dein Problem ist gelöst. Arkham kam bei uns zwei mal auf den Tisch – dann nur noch Eldritch…

    1. Eldritch ist kein Ersatz für Arkham – schon nur, weil Arkham keinen Ersatz braucht.
      Aber ja, gib mal Bescheid, wenn du Zeit hast.

      1. Wir wollten uns ja auch mal nach Arkham wagen, Pete. Aber wahrscheinlich würden wir dann ja eh abdriften und stattdessen ein wirklich GUTES Spiel spielen … 😛

  3. Ja, da sind einige Spiele auf der Liste, die auch bei uns Staub ansetzen. Es ist halt immer eine Kombination, aus verfügbaren Spielern, Regelwissen, Zeit und anderen Spielen, die dafür sorgt, dass manches hinten rüber fällt. Eigentlich habt ihr schon mit Korsaren der Karibik, Battlestar Galactica und Archipelago drei Volltreffer bei mir gelandet. Aber es war ja schon in der Schule doof immer zu sagen “ Das wollte ich auch Sagen“, daher noch drei weitere:

    Eclipse – macht mit Vielen erst richtig Spaß, dauert dann aber auch ewig mit zu viel Downtime
    Das Zeitalter der Renaissance – Regeln schrecken alle Neulinge ab
    Der Herr der Ringe: Der Ringkrieg – Wann ist man schonmal für 4 Stunden zu zweit?

    1. Zu Deinem letzten Punkt darf ich immerhin anmerken, dass ich mich in den letzten Wochen öfter mal mit meiner Frau 3-4 Stunden um die helle/dunkle Seite der Macht geprügelt hab‘. SW: Rebellion hat bei uns den Ringkrieg ein wenig abgelöst…

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