Der Ruf von Room 25 (Matagot) leidet möglicherweise unter der Tatsache, dass das Spiel gleich mit fünf Spielmodi geliefert wird. Warum er darunter leiden soll, fragt ihr? Nun – weil man vier davon getrost umgehend in die Tonne kicken darf, deswegen! Wer das Spiel auspackt und eine dieser Varianten spielt, nimmt Room 25 möglicherweise nie wieder aus dem Regal. Und das wäre schade, denn der fünfte Modus hat es in sich und ist Grund genug, einen längeren Blick in den tödlichen Kubus zu werfen…
Mutige lassen beim Lesen der folgenden Rezension diesen Soundtrack im Hintergrund mitlaufen.
Im Sci-Fi-/Horrorfilm/Thriller Cube (1997) findet sich eine Gruppe fremder Personen in einem Raum wieder. Bald entdecken sie, dass ihr Ausgangspunkt von weiteren Räumen umgeben ist. Manche davon sind harmlos, in vielen Fällen enthalten sie jedoch tödliche Apparaturen. Nach und nach wird ihnen ausserdem bewusst, dass die Gruppe nicht zufällig in die Situation gebracht wurde, sondern dass ihre Fähigkeiten der Schlüssel sind, um lebend aus dem sich dauernd umbauenden Labyrinth zu entkommen.
Und ja, das ist Room 25 – und zwar haargenau, Lizenzkosteneinsparung hin oder her. Wir entscheiden uns extremst spontan für die Spielvariante „Verdachtsmodus“. Diese besagt, dass sich Wachen unter die Gruppe geschlichen haben (können), deren Ziel es ist, den erfolgreichen Ausbruch der Gefangenen zu verhindern. Wie in solchen Spielen üblich, zieht man zu Beginn einer Partie eine verdeckte Rolle. Anders als in solchen Spielen üblich, erfahren hier allerdings auch die pösen Puben (so es denn überhaupt einen oder mehrere davon geben sollte) nichts über die Identität ihrer Arbeitskollegen.

Für die Ausgangssituation des Spiels verweise ich auf die obige Film-Einleitung. Wir finden uns im offenliegenden Zentralraum wieder, darum herum liegen, in einem 5×5- Raster, lauter verdeckte Räume. Die Gefangenen haben zehn Runden Zeit, den Komplex zu verlassen. Um dies zu erreichen, müssen sie den Ausgang (genannt „Raum 25“) finden, der sich bei Spielbeginn irgendwo am äusseren Rand des Komplexes befindet – was sich allerdings recht rasch ändern kann. Befinden sich alle Gefangenen (nicht die Wachen) gleichzeitig in diesem Raum, dieser sich wiederum am äusseren Rand des Gebildes, und löst jemand eine bestimmte Aktion aus, ist uns die Flucht geglückt. Sollten wir auch nur einen Verlust beklagen, kompliziert sich allerdings die Angelegenheit: In diesem Fall geben wir die Hoffnung nicht auf, dass sich der Verblichene doch noch in bester Hollywoodmanier irgendwie zurückmeldet – wir dürfen dann die Immobilie erst im zehnten Spielzug verlassen, ein vorzeitiges, erfolgreiches Ende liegt also nicht drin. Sollten gar zwei Gefangene das Zeitliche segnen, gewinnen sofort die Wachen. Diese triumphieren natürlich auch, wenn den Gefangenen innerhalb des Rundenlimits die Flucht nicht gelingt.

Und worin liegt nun die Schwierigkeit unserer Aufgabe als Gefangene? Nun, einerseits in der Architektur des Gebildes selber. Darüber hinaus aber auch in der Paranoia, die uns unweigerlich befällt, wenn uns eine Kollegin versichert, dass wir gefahrlos einen Raum betreten können, den sie sich eben angesehen hat.
Um unsere Aufgabe zu lösen, stehen uns lediglich vier Aktionsmöglichkeiten zur Verfügung, von denen wir zu Beginn jeder Runde zwei (unterschiedliche) per Plättchenauslage programmieren.
„Gehen“ bedeutet, dass man einen der angrenzenden Räume aufdeckt (falls er noch verdeckt ist), ihn betritt und dabei (wie auch bei jedem späteren Betreten) sofort seinen Effekt ausführt. Fällt euch auf, dass das Plättchen rot ist?
Dies endet nämlich häufig ungesund – insbesondere, wenn man ohne jegliches Vorwissen in unbekannte Räume hineinlatscht. Deshalb hat uns Autor François Rouzé auch mit einem grünen Plättchen – der Gabe des „Guckens“ – ausgestattet. Diese erlaubt uns, einen der angrenzenden Räume heimlich anzusehen und ihn verdeckt zurück zu legen. Anschliessend darf ich der Runde zur Gefahrenstufe des Raumes (dazu gleich mehr) Auskunft geben – muss es aber nicht. Oftmals werden diese beiden Aktionen nacheinander (Gucken vor dem Gehen) geplant, weil das einfach wesentlich gesünder ist. Allerdings wird so rasch einmal die Zeit knapp…. und das Spiel wäre eher unattraktiv, gäbe es nicht noch zwei weitere Aktionen…
Die erste davon nennt sich „Kontrollieren“ und bewirkt, dass ich die ganze Reihe oder Spalte, in der ich mich gerade befinde, um einen Raum verschiebe. Im besten Fall lassen sich dadurch mehrere Gefangene näher zu ihrem Bestimmungsort bringen, aber natürlich lässt sich diese Aktion auch ganz wunderbar destruktiv, „Chaos-säend“ einsetzen.
Gleiches gilt für die letzte Handlungsmöglichkeit: „Schubsen“. Damit wird eine Mitgefangene, die sich am gleichen Ort befindet, in einen angrenzenden Raum spediert. Durchaus erwünscht, falls wir das so abgesprochen haben, sie dadurch ein Bewegungsplättchen spart und sich dann gleich noch einmal bewegen darf. Weniger nett, wenn auf der anderen Seite der Tür ein Säurebad, eine Schnetzelmaschine oder gar eine Todeskammer lauert…
„SCHNETZELMASCHINE?!“, ruft ihr entsetzt und schlagt betroffen die Hände vors Gesicht? Ja, denn Room 25 bedient sich genussvoll bekannter Horrorfilm-Utensilien – bereits im Grundspiel warten fantasievolle Räume mit ebenso fantasievollen Effekten auf die Besucher, mit den Erweiterungen wird dann noch eins drauf gesetzt.
Aber natürlich sind nicht alle Räume gleich gefährlich. Vielmehr sind sie drei beziehungsweise vier beziehungsweise fünf Gefahrenkategorien zugeordnet. Die Kategorie „blau“ umfasst lediglich den Zentralraum und den Ausgang.

Grün codierte Räume sind im schlechtesten Fall einfach nur leer. Es existieren aber auch einige, deren Auswirkungen sich die Gefangenen sogar zunutze machen können.

Gelbe Räume sind schon etwas weniger erwünscht, allerdings noch nicht verheerend. Sie lösen oft Effekte aus, welche die Truppe zwar irgendwie behindern, aber jänusode… Im Interesse eines raschen Vorwärtskommens (oder wenn’s durch die Programmierung das kleinere Übel ist) nimmt man’s halt mal in Kauf.

Möglichst fernbleiben sollte man hingegen von den roten Räumen. Die meisten führen, oft mit einer gewissen Verzögerung, zu einem unangenehmen Ergebnis oder bringen zumindest die Insassen in heikelste Situationen.

Und dann gibt es da eben noch die fünfte und letzte Kategorie: Der Raum ist so ganz und gar farblos, zumindest in den Ecken. Innen ist er hingegen schön bunt…

Hauptaufgabe der Gefangenen ist die Lokalisierung des Ausgangs. Allerdings: Bewegt sich irgend ein Tropf zu früh in den Raum, geht ein Alarm los und die Anzahl noch verbleibender Spielrunden wird umgehend auf fünf reduziert. Daher gilt es, in Frage kommende Räume behutsam zu erkunden und das eigene Vorgehen mit den Kolleginnen zu koordinieren. Nur eben: Unter Umständen sind nicht alle tatsächlich Kolleginnen! Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser – allerdings ist die Suche ausschwärmenderweise effizienter, als wenn man sich in Gruppen durch den Komplex bewegt. Was, wenn eine Wache den Ausgang findet und diesen verschweigt? Oder gar behauptet, der Ausgang wäre gefunden, nur um die Truppe in die Nähe einer Todeskammer zu locken? Probleme über Probleme…

Das Leben im Cube-Universum ist für die Gefangenen schwer, manchmal sogar recht kurz. Umso ausschweifender darf jeder Sieg über die Wachen gefeiert werden! Alleine das Management der Räume ist eine eigene Knobelaufgabe – allerdings wie eingangs erwähnt dann doch nicht anspruchsvoll genug, um im rein kooperativen Modus das Spiel alleine zu tragen. Bereits durch die Möglichkeit einer eingeschleusten Wache wird jedoch Room 25 zu jenem Spiel, als das es offenbar gedacht war. Nun wird auf einmal die Frage lebenswichtig, mit wem man sich in einem Raum befinden möchte. Oder man stellt sich die Frage, ob man besser nach dem Ausgang suchen oder doch lieber vom verdächtigen Kollegen fernbleiben sollte. Und warum scheitern unsere vermeintlich ausgefeilten Vorhaben? Handelt es sich tatsächlich um Missverständnisse, oder schüttet uns da jemand absichtlich Sand ins Getriebe?
Und da eine realistische Möglichkeit besteht, nach wenigen Partien zum Room-25-Fan zu werden, Fans wiederum von einer guten Sache nie genug kriegen können, wurde Room 25 – Season 2 erschaffen. Diese Erweiterung liefert haufenweise neue (unterhaltsame) Räume, ausserdem stattet sie die Protagonisten mit persönlichen Eigenschaften aus, die ja auch im filmischen Vorbild zentral waren. Zwar wird durch das Spiel niemand wirklich zum Zahlengenie, aber individuelle Fähigkeiten wie „Rufen“ (bewege jemanden aus einem angrenzenden Raum zu dir), „Tragen“ (nimm mit der Aktion „Gehen“ jemanden aus dem Raum mit) oder „Hacker“ (vertausche 2 angrenzende Räume) sind für die Gefangenen enorm hilfreich – beziehungsweise verheerend in falschen Händen…
… Und was liegt näher, als ein Spiel namens Room 25 auf die Escape-Room-Welle aufspringen zu lassen? Richtig: Kaum etwas! So erschien 2017 wenig überraschend, leider auch kaum beachtet, die zweite Erweiterung: Room 25 – Escape Room (bisher nicht in deutscher Sprache erhältlich). Sie enthält neben weiteren, frei mit dem Grundspiel kombinierbaren Räumen einen neuen kooperativen „Escape“-Modus – der diesmal allerdings funktioniert und hübsche Rätsel liefert, die das gewünschte Feeling durchaus aufkommen lassen!
Room 25 im „Verdachtsmodus“ spielt sich hervorragend und flüssig auch noch (und sogar bevorzugt) mit 5 oder 6 Ausbrecherkönigen (oder solchen, die vorgeben, welche zu sein). Es liefert in beachtlichem Umfang Interaktion, Knobelaufgaben, Paranoia, Spannung sowie eine Prise Horror-Feeling und ist damit ein sehr schönes, durchwegs MUWINS-taugliches Spiel. Man darf es sogar als Vertreter jener eher seltenen Gattung bezeichnen, die sich seit Jahren erfolgreich gegen die unaufhaltsame Neuheitenflut stemmt und bei uns unbeeindruckt davon immer wieder zum Einsatz kommt! Die Erweiterungen bauen das Spielerlebnis weiter aus und sind ebenfalls sehr zu empfehlen. Schade eigentlich, dass Room 25 mit fünf Spielmodi ausgeliefert wurde…
Eines meiner Lieblingsspiele. Immer schön, wenn man nach einer schwierigen und nervenaufreibenden Suche nach dem Ausgang im allerletzten Moment (immer noch alles im grünen Bereich!) mit all seinen Freunden im Ausgangsraum ist und den Komplex verlässt. Und noch viel sehr schöner, wenn alle schon genau daran glauben und man sich dann kurz davor mit einer Schubsen-Aktion in eine leider rein zufällig angrenzende Todeskammer als Wächter outet. Isch aube schad.
Ach ja, und ich gehöre immer zu den Guten. Also entweder zu den guten Wächtern, die die bösen, gefährlichen Gefangenen am Entkommen hindern. Oder aber zu den mutigen, eigentlich unschuldigen Gefangenen, die vor den tyrannischen Wächtern fliehen. Oder so.
Kleiner Tipp am Rande: Falls ihr jemals mit Michi Room 25 spielen solltet… Werft ihn einfach ins Feuer, ins Säurebad oder in die Häckselmaschine. Sicher ist sicher!