Sons of Anarchy: Men of Mayhem – die MUWINS als böse Buben? Unvorstellbar!

Von 2008 bis 2014 machten die Sons of Anarchy heimische Wohnzimmer als Helden der gleichnamigen Serie unsicher. Die Motorradgang beherrschte dort die (fiktive) Kleinstadt Charming und schaffte es immerhin, so etwas wie Ruhe herrschen zu lassen – man wollte sich schliesslich die illegalen Waffendeals nicht durch unnötige Schlagzeilen versemmeln! Die Lage änderte sich, als der Jungspund Jackson ‚Jax‘ Teller (Charlie Hunnam) gegen seinen Stiefvater und despotischen Anführer der Gang Clarence ‚Clay‘ Morrow (Ron Pearlman himself!) vorging.  Mit Hilfe seiner mit Clay liierten Mutter (grandios: Katey Segal, bekannt als Peggy aus Eine schrecklich nette Familie) gelang es ihm, den Boss vom Thron zu stürzen, um selber das Steuer zu übernehmen. Er tat dies mit viel Enthusiasmus und brachte unverbrauchte Ideen und frischen Wind in die Angelegenheit… und fuhr die Karre im Verlauf der folgenden Staffeln mit Karacho derart gegen die Wand, dass sich der geneigte Zuschauer des Öfteren die flache Hand mit ebenso viel Schwung an die eigene Stirn bolzte.

Foto 06.05.17, 11 36 00
Für einmal friedliches Gruppenbild der im Grundspiel enthaltenen Gangs: Vorne die Members, hinten die Prospects.

Gale Force Nine hatte als Einsteiger in die Brettspielszene 2012 mit Spartacus gezeigt, dass Spiele, die auf lizenzierten Fernsehserien beruhen, nach jahrelangen Billigstproduktionen ohne jeglichen spielerischen Wert (mit Ausnahme von Fantasy Flights Battlestar Galactica) nun auf einmal richtig gut sein konnten. Und nun also mit SoA ein Titel, bei dem einigermassen schwer zu vermuten war, dass man so richtig böse sein durfte? Immer her damit…

Die ersten Bilder des Spiels wirkten allerdings wenig überzeugend: Ein eigentliches Brett existiert nicht (die Fangemeinde hatte Charming erwartet), die Mechanik lässt sich im Prinzip als eine Arbeitereinsetzvariante bezeichnen… Das klang erst mal wenig blutdruckanregend und nicht ansatzweise so kriminell wie die Sons.

Und dann holt man sich trotzdem die (optisch wenigstens hinreichend böse daherkommende) Schachtel (leichte Aufregung), liest die Spielregeln (mittlere Erwartungshaltung), stellt das Gedöns auf und spielt eine erste Partie. Und dann: Freu! (Gemeint ist ehrliche, durchwegs positive Überraschung).

Foto 06.05.17, 11 58 50
Immerhin – die Schachtel kommt schon mal stilecht daher…

Ja, man darf böse sein, und ja, es geht um Absprachen, Drohungen, heisse Ware, Waffen, Prügeleien, Schiessereien – und bei all dem um das Vermeiden von allzu viel Aufmerksamkeit von Seiten der lokalen Polizeikräfte oder (dann ist aber fertig lustig) gar der DEA.

Foto 06.05.17, 11 38 26
Waffen, Kohle und… Sporttaschen sind die Ressourcen in SoA.

Der einzige Zweck: Am Ende die umfangreichsten Zahlungsmittelreserven zu bunkern. Dabei mischen weitere aus der Serie bekannte Gangs mit: Die One-Niners, das Lin Syndikat, die Mayans und natürlich die Sons (als Erweiterung sind zwei weitere Gangs erhältlich, wodurch auch die Spielerzahl vergrössert werden kann). Jede von ihnen versucht, ihr eigenes kriminelles Talent mal kooperierend, mal konfrontierend, immer aber möglichst gewinnbringend einzusetzen.

Don’t be an ass. We play games to have a good time. If you’re being an ass, your friends aren’t having fun. Remember, it’s only a game. Blood feuds end when the game does!

(Aus den Spielregeln zu Sons of Anarchy, Seite 4)

Zu Beginn einer Partie liegen fünf Lokalitäten (in Form von grossen und stabilen Bieruntersetzern Kartonteilen) aus: Spital, Notaufnahme, Waffenfabrik, Drogenabpackzentrale und Polizeistation. Zusätzlich sechs zufällige verdeckt, die über die folgenden Runden nach und nach paarweise aufgedeckt werden. Das Ausmass des Stapels nicht verwendeter Ortskarten, die unbesehen in der Schachtel verbleiben, ist beeindruckend – „Jede Partie verläuft anders!“ ist bei SoA keine Alibiphrase. Als ob das noch nicht reichen würde, werden jede Runde bis zu 3 Karten von einem ebenfalls umfangreichen Stapel aufgedeckt, die temporäre Effekte auslösen. Dazu können etwa vorübergehende Regeländerungen gehören oder kurzfristige Gelegenheiten, die wie zusätzliche Orte funktionieren.

Foto 06.05.17, 11 54 40
Bis zu drei solcher Karten bringen noch mehr Abwechslung und Überraschung ins Spiel. Besonders lustig: Die Karte rechts unten! Man darf in der aktuellen Runde ausschliesslich gegnerisches Personal bewegen! Wohl dem, der ein wenig Kleingeld übrig hat, um entsprechend zu motivieren…

Im Clubhaus jeder Gang befinden sich zu Beginn einige Vollmitglieder (Members) sowie Aspiranten (Prospects). Beide zusammen werden im Regelwerk liebevoll als Dudes bezeichnet. Ausserdem liegen einige Knarren herum… und diese nicht genauer definierten Sporttaschen, die lediglich als Contraband beschrieben werden. Mit den Taschen lässt sich richtig viel Kohle machen. Es muss sich also zweifellos um ganz exzellente Fälschungen von Markensporttaschen handeln. Oder?

Apropos Kohle: Grundsätzlich lässt sich alles verscherbeln. Die Gelegenheiten können dazu mehr oder weniger zahlreich und günstig sein, aber wenn beispielsweise die Mayans wirklich enorm darauf angewiesen sind, dass die Sons etwas Bestimmtes tun, dann können letztere sich das von den Mexikanern bezahlen lassen – oder es zumindest versuchen.

Zu Beginn einer Runde erhalten alle Gangs eine Anzahl Befehlsmarker, die der Zahl ihrer Vollmitglieder entspricht (es ist also sinnvoll, bei der Abklärung der Aufnahmebedingungen für Aspiranten nicht allzu kleinlich zu sein). Danach sind die Gangs reihum am Zug. Mit Befehlen darf man beispielsweise Personal von einem Ort an einen anderen verschieben, die Funktion eines Ortes nutzen (wenn man alleine dort ist), einen Kampf auslösen (um demnächst alleine dort zu sein), neue Mitglieder anwerben (um die Chance zu erhöhen, nach einem Kampf alleine dort zu sein) und so weiter.

Ziel dieser Befehlsausgabe ist, die Orte möglichst optimal zu nutzen, denn deren Effekte sind vielfältig und oft nur in Kombination zielführend. So können beispielsweise im Irish Pub bis zu vier Waffen für je einen grünen Schein abgeholt werden. Im Norton Military Surplus Laden hat man die Option zwischen An- und Verkauf von Hardware. Im Hairy Dog lassen sich Waffen verticken oder Taschen kaufen und in den Caracara Studios werden Lehrfilme für den Biologieunterricht produziert, die offenbar überraschend massiven Gewinn abwerfen. Manche Orte erlauben eine Zusatzaktion in Form eines Boosts, für die man einen weiteren Befehlsmarker opfern muss.

Foto 06.05.17, 11 45 16
Nur eine kleine Auswahl der in einer Partie möglicherweise besuchbaren Bieruntersetzer.

Aber eben: Nutzen darf man einen Ort nur, wenn sonst keiner zuguckt, und die anderen Tunichtgute werden meinem Vorhaben kaum gut tun (das sind dann die Momente, in denen man sich nach den Vorzügen eines Solospiels sehnt). Um einen Abzug anderer Gangs zu erreichen, kann ich’s mit rationalen Argumenten oder Bestechung versuchen. Und wenn gar nichts mehr hilft, wird halt zünftig gekloppt. Wobei das noch die harmlosere Variante ist. Kommt’s nämlich zur handfesten Auseinandersetzung, steht man vor der Entscheidung: „Blaues Auge oder blaue Bohne?“ Die Wahl der zweiten Option stärkt meinen Kampfwert und führt dazu, dass sich Mitglieder der gegnerischen Gang in der Notaufnahme wiederfinden (von wo sie nicht in jedem Fall wieder zurückkommen), gleichzeitig gerate ich dadurch aber stärker in den Fokus der Gesetzeshüterei, was später das Geldverdienen mit Designertaschen empfindlich erschwert. Ausserdem sind die verwendeten Waffen weg. Von wegen Beweismittel und so. Kennt man ja.

Sind sämtliche Befehlsmarker verbraucht, folgt die Schwarzmarktphase. In dieser darf jede Gang Sporttaschen verticken, indem man verdeckt eine Anzahl davon in die Faust nimmt. Begrenzt wird man dabei allerdings durch das Ausmass der Aufmerksamkeit, welche das Auge des Gesetzes einem gerade zukommen lässt. Hat man die letzte Zeit vor allem mit Um-sich-Ballern und sonstigem allzu kriminellem Zeitvertreib verbracht, darf man hier nur noch sehr kurz treten. Aus der Summe der insgesamt auf den Markt geworfenen Produkte ergibt sich deren Wert, und wer mindestens ein Produkt verkauft hat, gerät wiederum stärker in den Fokus polizeilicher Ermittlungen.

Foto 06.05.17, 11 49 32
Die spielerzahlspezifische Schwarzmarktkarte

Nach sechs Runden (die angegebenen 60 Minuten Spieldauer auf der Schachtel sind zu knapp) wird definitiv abgerechnet. Das fällt leicht, denn von wegen „Wenn ich 3 Holz besitze und 4 Runden vorher ein Huhn gekauft habe, kriege ich 10 Punkte extra“… Nix da! Hard Cash ist gefragt – und sonst nichts!

Foto 06.05.17, 11 56 43
Dass es um haufenweise Geld geht, wird schon bei der Inventur des Spielmaterials deutlich.

Wir schalten an dieser Stelle kurz hinüber zu Lukebigbosss für eine Zweitmeinung sowie einen Kurzreport eines etwas zurück liegenden Ereignisses…

Lukebigbosss hier!

Es war einmal ein reiner Eurogamer. Spiele wurden errechnet, Züge wohl überdacht und der Gegner nicht brüskiert. Eines Tages dachte er sich, dass er mit den Trolls aus Muwins ein „Konfliktspiel goes Euro“ zocken könnte (ja, SoA kann man euromässig spielen). Da hat er wohl zu wenig über die Eigenschaften der Muwinser recherchiert. Ein Volk von falschen und üblen Zeitgenossen, ein rachsüchtiger und prügelfreudiger Haufen Hooligans. Nicht abgeneigt zu stehlen und zu hintergehen. Auf einem Aktionsfeld wurde er weggeprügelt (das kann man bei Russian Railroad halt nicht). Mit Tränen in den Augen erholte sich seine Gang Eiscreme löffelnd im Bezirksspital. Die Ruhe währte nur kurz: SAMCRo hat sich, nach Absprache mit allen anderen regionalen Charters, entschieden, dem „europäischen“ Motorradklub einen Besuch abzustatten. Beschenkt wurden sie mit reichlich Blei, freilich keinen Blumen. Damit war die Partie für ihn gelaufen. Glücklicherweise hat sich unser Zeitgenosse seelisch erholt: Er nimmt weiterhin an den Muwinser Spieleabenden teil… Langfristig schadet also ein regelmässiger Kontakt mit den bösartigen Trollen nicht (wissenschaftlich unbewiesen).

Geradewegs zum Schiessen (!) ist im Übrigen auch die Videorezension von Actualol, inklusive treffender Imitation diverser Protagonisten der Serie.

Und so wünschen wir MUWINSer diesem Spiel, das – aus welchen Gründen auch immer – auf dem Spielemarkt zu Unrecht mehr oder weniger untergegangen ist, doch noch etwas mehr Aufmerksamkeit. Denn Sons of Anarchy kommt bei uns zwar nicht regelmässig, aber – im Gegensatz zu vielen hochgelobten Neuigkeiten – seit Jahren immer mal wieder auf den Tisch. Sozusagen als ideale Repräsentation der Schnittmenge der uns gemeinsamen Spielephilosophie, die da lautet: „Wir wollen uns kloppen können“. Es beinhaltet andererseits aber auch die wichtigste Spielregel überhaupt…

Don’t be an ass!

18 comments

  1. Haha, eine grandiose Rezession.

    […]in den Caracara Studios werden Lehrfilme für den Biologieunterricht produziert[…]
    Ja, Biologie ist halt sehr beliebt. 😀

    Die Tags für den Blogeintrag sind auch sensationell gut gewählt.

    Und bei ‚Hassle‘ kommt mir grad wieder die legendäre Szene in Pineys Cabin in den Sinn. Hach! Wie hatte da die Notaufnahme viel zu tun.

    1. Dankedanke – auch wenn wir versuchen, uns möglichst wenig in wirtschaftliche Belange einzumischen … 😉
      Und ja, Pineys Cabin war ein schöner Moment, ebenso die eine oben beschriebene rote Karte… ;o)

  2. Hiho,
    hab mir bei dem Dealer meines Vertrauen Sons of Anarchy geholt und wir werden uns nächsten Sonntag vermöbeln. Da wir immer zu fünft zocken, habe ich mir direkt eine Erweiterung dazu geholt. Bin gespannt.
    Eingestimmt haben wir uns gestern mit Junta, das würde nachdem was ich hier so gelesen habe auch gut zu euch passen 😉

    1. Dann schon mal viel Spass! 😊 An Junta hat mir persönlich der Zahn der Zeit etwas zu sehr genagt, aber ja – im Prinzip hast Du recht. Wir haben alternativ gerade eine Partie Cuba Libre beendet – die war mindestens so blutig 😏

  3. Hiho, sind gestern eurer Empfehlung gefolgt und haben Sons of Anarchy auf den Tisch gebracht (@ oldiebenji: du hast es ja schon gelesen 😉 ). War echt ein lustiger Abend! Ich glaube wir waren alle noch zu nett. Kommt auf jeden Fall noch mal auf den Tisch in Bälde.
    Hab aber eine Regeln nicht verstanden. Bei „Resolving Throwdowns“ (S. 11) steht unter 1: Call for Backup „Note: You may not retreat from a Throwdown when calling for Backup.“ In meinem schlechten Englisch habe ich es so verstanden: Wenn du Verstärkung anforderst darfst du dich nicht Zurückziehen. Leider steht nirgendwo in den Regeln etwas zum Rückzug.
    Wir haben die Kämpfe dann so gespielt: Entweder Verstärkung (Order Token) oder Rückzug ins Clubhaus (Order Token) oder nichts machen und Waffen ziehen.
    Bei BGG gibt es dazu auch Diskussionen, die sind aber eher verwirrend als hilfreich. Wie spielt ihr das?

    1. Die Passage ist unglücklich geschrieben. Sie soll einfach heissen, dass man sich aus einem Kampf nicht zurückziehen kann. Man darf also entweder Verstärkung anfordern, oder man lässt das bleiben – gekämpft wird aber in jedem Fall (man darf nich abhauen).
      Sinn machts genau genommen schon, denn die einzige Möglichkeit, dass sich auf dem Brett überhaupt etwas bewegt, wenn jemand angreift, ist durch das Ranpfeiffen zusätzlicher Dudes. Aber eben nur REIN in den Kampf, nicht raus.

    2. … und ja, bei SoA muss man die Sau rauslassen. Wenn mans zu lieb spielt, geht viel von seinem Reiz verloren 😉

Kommentar verfassen