Gloomhaven: Abenteuerlicher Hochseilakt

Eine 10kg-Kiste, gut viermal so gross wie die quadratische Standard-Brettspielschachtel. Rund 1700 Karten. 47 verschiedene Monsterarten, verteilt auf 236 Standees. Hunderte Kartonmarker, dutzende Spielplanelemente. Ein Kampagnenbuch mit 95 Szenarien. Und, und, und. Ist Gloomhaven bloss ein sperriges Papp-Hype-Monster oder bietet es tatsächlich begeisterndes Fantasy-Taktik-Spektakel? Zwei Abenteurer packen aus. (99% spoilerfrei)

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Der riesige, prall gefüllte Karton wirkt erst mal ziemlich einschüchternd auf unseren Abenteurer.

Jeder muss essen. Mit dieser unbestreitbaren Wahrheit wird man in Gloomhaven begrüsst und sie gilt wohl auch für die Spielercharaktere, von denen anfangs sechs zur Auswahl stehen. Unser Abenteuer beginnt in einer Schänke, wo uns eine vermögende Kauffrau anheuert, damit wir für sie einige gestohlene Dokumente zurückholen. Ein paar Banditen vermöbeln? Leicht verdientes Gold für gestandene Söldner, wie wir es sind. Worauf warten wir also noch?

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Unser Söldner-Trupp ist einsatzbereit.

Mit dem ersten Auftrag wird auch gleich der erste Ort auf der Weltkarte aufgedeckt und mittels Aufkleber markiert. Noch präsentiert sich die Welt von Gloomhaven auf Papier nämlich als unbekannter Landstrich, auf dem sich zwar weitläufige Berg-, Wald- und Sumpfregionen erkennen lassen, die stellenweise mit ominösen Nummern versehen sind. Als Neuankömmlinge wissen wir jedoch herzlich wenig über die zahlreichen Gefahren Sehenswürdigkeiten, die es zu überleben entdecken gilt. Warum heisst die Stadt Gloomhaven? Ist sie wirklich so düster, wie ihr Name vermuten lässt? Mit welchen Problemen kämpft diese Welt? Und welche Rolle spielen wir in ihrer Entwicklung? Fragen, die sich alle noch nicht beantworten lassen. Wir beginnen das Abenteuer also ziemlich planlos – und das fühlt sich, nun, äusserst abenteuerlich an! All das Spielmaterial, das dicke Szenarienbuch, die unbefleckte Karte: Dieses kribbelnde Gefühl angesichts einer grossen, unbekannten Welt, die auf uns wartet, deckt sich durchaus mit jenem, das mich jeweils zu Beginn eines grossen RPGs am PC überkommt.

Alles Wissen, worüber wir anfangs verfügen, besteht aus ein paar Informationen zu Wesen und Herkunft unserer Spielercharaktere. Erfrischenderweise handelt es sich bei diesen nicht um die klassisch-tolkien’sche Quadrinität aus Mensch, Halbling, Elf und Zwerg: Vielmehr hat sich Isaac Childres die Mühe gemacht, gänzlich neue Rassen zu schaffen, was Aussehen, Hintergrund und Bezeichnung betrifft. Dass deren Eigenschaften dann trotzdem eine Unterteilung in „schlagkräftiger Nahkämpfer“, „trickreicher Dreikäsehoch“ und „aus-der-zweiten-Reihe-schiessende Magierin“ erlauben, liess sich wohl kaum vermeiden. Aber wer kann schon sagen, welche Überraschungen uns diesbezüglich in den zwölf versiegelten, erst freizuschaltenden Charakterumschlägen noch erwarten?

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In jedem Umschlag stecken – jeweils charakterspezifisch – eine Übersichtstafel, ein Aktionskartendeck, freizuschaltende Aktions- und Angriffsmodifikationskarten sowie einige Charakterbögen, auf denen sich die Fortschritte aufzeichnen lassen.

Bevor wir ins Hinterland aufbrechen, schauen wir noch schnell auf dem lokalen Handwerkermarkt vorbei. Da uns die Welt ausserhalb der Stadttore gross und gefährlich genug erscheint, steuern wir mal gutgläubig auf die im Szenarienbuch angepriesenen Start-Ausrüstungsgegenstände zu und bestücken unsere Helden damit. Die Auslage ist anfangs ohnehin ziemlich übersichtlich. Aber genau so wie die Anzahl zu besuchender Orte (und damit zu bestehender Szenarien) auf der Landkarte wird sich auch das Marktangebot mit fortschreitender Kampagne erweitern. Denn die Stadt Gloomhaven ist quasi ein eigener Charakter: Im Verlauf des Spiels – bedingt durch unsere (Miss)Erfolge und Entscheidungen – wird sich ihr Wohlstandslevel ver(schlimm)bessern und sie wird gewisse Eigenschaften gewinnen. Im Idealfall von „Karges Loch“ zu „Bling-Bling City“, sozusagen.

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Grob- und Feinmotoriker werden hier beide fündig.

Während jedes Aufenthalts in Gloomhaven sowie jeweils auf dem Weg zu einem neuen Szenario darf beziehungsweise muss man sich einem zufälligen Ereignis stellen. Dabei werden wir nach einer kurzen Situationsbeschreibung stets vor eine Wahl gestellt – etwa, ob wir einer hilfsbedürftigen Person helfen oder deren missliche Lage lieber zu unseren eigenen Gunsten ausnutzen wollen. Gemeinsam entscheiden wir und danach werden die entsprechenden Konsequenzen auf der Rückseite abgehandelt. Je nachdem, welche Charaktere sich in der Truppe befinden oder wie es um deren Ruf steht, können sich dabei ganz unterschiedliche Resultate ergeben, die sich z.B. auf Gesundheit, Geldbörse oder Ansehen auswirken können. Einmal abgehandelt wird die Karte aus dem Spiel entfernt. Doch keine Angst, auch hier werden im Verlauf der Kampagne(n) neue Ereignisse freigeschaltet (u.a. abhängig von Auswahl und Ausgang der gespielten Szenarien), die dann in diese Stapel gemischt werden – so schnell gehen sie einem also nicht aus.

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Stadt-Ereigniskarte. Was sich da nicht alles so herumtreibt…

Doch nun genug des Vorgeplänkels – höchste Zeit, dieser Banditenbande ein paar auffe Omme zu geben! Das Kampfsystem ist zweifelsohne schlagendes Herz und glänzendes Prunkstück dieses Spiels. Wie sich längst herumgesprochen haben dürfte, kommt Gloomhaven im Gegensatz zu anderen taktischen Dungeon Crawlern gänzlich ohne Würfel aus. Jeder Spieler-Charakter verfügt über sein eigenes, individuell gestaltetes Aktionskartendeck, welches – charakterabhängig – aus ca. 8 bis 12 Karten besteht. Darauf sind jeweils zwei mögliche Aktionen sowie ein Initiativenwert vermerkt.

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Aktionskarten mit Initiativenwert in der Mitte. Man beachte, wie passend die Kartenbezeichnung für jeweils beide Aktionen darauf ist.

Zu Beginn jeder Runde wählen wir zwei Karten aus: von einer werden wir die obere, von der anderen die untere Aktion ausführen. Eine der beiden Karten bestimmen wir zudem zu unserem Initiativenwert für diese Runde. Diese Auswahl erfolgt geheim: wir dürfen uns zwar grob mit unseren Freunden besprechen (à la, „Ich lass‘ euch erst mal machen und räum‘ dann zum Schluss ordentlich auf!“), das Mitteilen genauer Werte oder Aktionstexte ist aber tabu – während einer Tavernenschlägerei können wir schliesslich auch nur schlecht ein taktisches Time-Out nehmen. Haben sich alle Mitspieler festgelegt, wird die Initiative der anwesenden Gegner ermittelt. Diese verfügen pro Spezies über ein eigenes Mini-Aktionsdeck, welches für jede Runde ihre Initiative festlegt und zugleich als KI dient.

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Schlechte Angriffsrunde für die Skelette – Dr. med. ark. Pete Shotgun diagnostiziert fortgeschrittenen Muskelschwund als Ursache.

Nun steht die Zugreihenfolge also fest und die Spieler-Charaktere bzw. Gegner führen nacheinander ihre Aktionen aus. An dieser Stelle gebührt dem Autor noch einmal grosses Lob: nicht nur sind sowohl die Spieler- als auch Feind-Kartendecks in ihren Aktionen individuell angepasst und thematisch gelungen, sie sorgen zudem für ein wunderbar flüssig ablaufendes und eingängiges Kampfsystem. So können wir uns das Kopfzerbrechen für Spannenderes als Diskussionen über Sichtlinien- oder Aktionstextunklarheiten aufsparen, nämlich: Welche Karte spiele ich als nächstes? Und welche Aktion darauf? Die starke Mehrfachattacke – womit ich die Karte für dieses Szenario verliere (dazu gleich mehr) – oder den schwachen Standardangriff, der aber nur einen Gegner trifft und ihm womöglich kaum schadet? Aber wenn ich diese Karte spiele, habe ich lediglich zwei hohe Initiativwerte zur Auswahl und komme wohl erst nach den Banditen dran – sollte ich mich für diese Runde also etwas zurückziehen und erst ein paar Schadenspunkte heilen?

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So viele Kombinationsmöglichkeiten!

Oh, es wird aber noch spannender! Sobald wir nämlich eine Karte gespielt haben, landet diese entweder auf dem Ablage- oder dem Verlorenenstapel. Spätestens, wenn wir keine zwei Karten mehr auf der Hand haben, müssen wir eine „lange Pause“ einlegen. Das bedeutet, dass wir für eine Runde nur dumm rumstehen, dafür aber unsere Karten aus der Ablage wieder auf die Hand nehmen dürfen – alle, bis auf eine. Die geht nämlich verloren und ist somit futsch für dieses Szenario. Dasselbe widerfährt einer Karte, wenn wir sie zur Negierung eines Angriffs einsetzen, etwa weil dieser besonders heftig ist oder uns gar um die Ecke bringen würde. Klug, wie ihr seid (sonst wärt ihr nicht auf dieser Seite), wisst ihr bestimmt, was all das bedeutet: Wir müssen uns beeilen und die Chose klarmachen, bevor uns die Puste ausgeht!

Ehe sich die Antiwürfelfraktion nun jedoch über eine durchrechenbare Start-Ziel-Dungeoneroberung freut, sei hier angemerkt, dass jeder Angriff (auch jene der Monster) noch durch ein – ebenfalls individuelles – Angriffsmodifikationsdeck beeinflusst wird. Die Mehrheit der Karten darin beschränkt sich zwar auf Werte von -1 bis +1, womit würfelartige Querschläger deutlich seltener vorkommen, einzelne (mit Betonung auf ein) Rohrkrepierer sind aber dennoch möglich. Hat ein Charakter genügend Erfahrung gesammelt, levelt er hoch und darf sein Aktionskartenspektrum erweitern sowie sein Modifikationsdeck etwas pimpen (auch dies mittels – muss ich es überhaupt noch erwähnen? – charakterspezifischer Kartensets).

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Angriffsmodifikatoren: links vom Standarddeck, rechts einige Upgrades.

Womit wir beim zweiten prominenten Aspekt wären, welcher Gloomhaven von ähnlich gelagerten Spielen unterscheidet. Hochgelevelt wird zwar auch anderswo, aber hier ist dies nicht nur begrenzt auf neun Stufen, sondern wird zudem dadurch abgeschlossen, dass ein Charakter – oft frühzeitig – in Rente geht. Das liegt aber nicht an der Luft in Gloomhaven und einem damit verbundenen, beschleunigten Alterungsprozess – vielmehr erhält jeder Charakter zu Beginn seiner Karriere ein persönliches Lebensziel, quasi seine ganz eigene Quest, die ihm am Herzen liegt und wegen der er überhaupt erst nach Gloomhaven gekommen ist. So möchte etwa Frida, meine „Spruchweberin“, aus Forschungsgründen Gesteinsproben aus sechs verschiedenen Regionen sammeln (und muss dafür dort jeweils ein Szenario bestehen). Hugo der „Grobian“ ist da etwas einfacher gestrickt: Er würde einfach gern seine Schrumpfkopfsammlung um 20 neue, unterschiedliche Exemplare erweitern. Hat ein Spieler dieses Ziel erreicht, schaltet er damit in der Regel einen der noch versiegelten Charaktere frei und setzt die Kampagne mit diesem oder einem anderen verfügbaren Helden fort. Für den ursprünglichen Charakter selbst gibt es nun jedoch schlicht keinen Grund mehr, noch länger in Gloomhaven zu verweilen.

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Bye, bye, Gloomhaven – Zeit, die Beine hoch zu legen!

Angesichts des Umstands, dass eine komplette Kampagne rund 60-70 Szenarien umfasst und es ungefähr deren 10 bis 15 bedarf, um ein Lebensziel zu erreichen, liegt es auch im Interesse der Spieler, ihre Helden in Rente zu schicken: Denn wie sonst sollen sie die zwölf verbleibenden Charaktere überhaupt je zu Gesicht bekommen? Wer jetzt befürchtet, dass durch diese fliegenden Wechsel die Spiel- und vor allem Kampfbalance aus den Fugen gerät, darf beruhigt aufatmen. Der Schwierigkeitsgrad eines Szenarios wird durch den Durchschnittslevel einer Heldengruppe bestimmt. Und da eine Level 4 Heldin nicht einfach doppelt so stark ist wie eine Level 2 Heldin, funktioniert das wunderbar. Schliesslich sind während eines Szenarios alle aufeinander angewiesen, um dieses erfolgreich zu bestehen.

You guys in the front here, keep an eye on each other. If you see somebody going down, help `em out, all right? That’s what you’re here to do, help each other out.

Tom Araya, alter Totschläger

Das ist auch etwas, was mich am Spieldesign sehr beeindruckt: Meine bisherigen Auseinandersetzungen mit den nicht ganz so netten Bewohnern Gloomhavens gingen alle äusserst knapp aus. Beim zuletzt gespielten Szenario z.B. wollte ich, nachdem ich die eine Schatzkiste gesichert hatte, schon fast aufgeben: Ich dachte, mit den wenigen meinen Charakteren noch verbleibenden Aktionskarten schaffe ich es eh nicht mehr zum anderen Raum, geschweige denn, diesen auch noch komplett von Monstern zu befreien (das war die Siegbedingung). Da es aber nicht dem Naturell eines Shotgun Pete entspricht, ein Spiel abzubrechen, solange noch eine klitzekleine Chance auf Erfolg besteht, spielte ich trotzdem weiter… und erledigte das letzte Monster mit der letzten Aktion meiner Spruchweberin, bevor diese erschöpft zusammengebrochen wäre! Von den beiden anderen Charakteren meiner Solo-Kampagne wäre einer in der nächsten Runde ebenfalls platt gewesen und der andere hätte noch ein letztes Mal eingreifen können. Phu, was ein Spiel!

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Das war knapp! Wäre das Skelett nur ein Feld weiter weg gestanden, wäre die Spruchweberin mit ihrem Fernangriff nicht mehr rangekommen.

Hab ich eben Solo-Kampagne gesagt? Ich meinte auch Solo-Kampagne (man muss zwar mindestens 2 Charaktere spielen, aber das funktioniert bestens). Parallel dazu läuft aber auch eine Muwins-3er-Kampagne, die ich mit meinen Kollegen lukebigbosss und mattthecrow in Angriff genommen habe. Das ist bei Gloomhaven kein Problem: Die Weltkarte teilt man sich (Orte bzw. Szenarien, die eine Gruppe freischaltet, sind für andere im Prinzip auch zugänglich), jedoch muss oft jede Gruppe selbst auch gewisse (Story)Bedingungen erfüllen, um dann tatsächlich die aufgedeckten Stätten aufsuchen zu können. Wie oben bei den Ereigniskarten bereits angetönt, gibt einem das Spiel erfrischenderweise auch die Möglichkeit, eher, nun, sagen wir mal eigennützig zu spielen. Um möglichst viel des Inhaltes – sowohl bezüglich Story als auch Szenarien – zu sehen, plane ich auf meiner Solo-Kampagne diesbezüglich vornehmlich empathisch und grossherzig zu entscheiden (so, wie ich nunmal bin), während ich mit meinen Co-Muwinsern einer jeder-ist-sich-selbst-der-Nächste-Philosophie folge (so, wie wir nunmal sind).

Es gibt noch viele wunderbare Kleinigkeiten, die ich nicht erwähnt habe, aber das Wichtigste dürfte gesagt sein, so ziehe ich hier mal einen Strich. Nach all dieser Lobhudelei fragt sich die geneigte Leserin womöglich, ob es denn an Gloomhaven nicht auch etwas zu bemängeln gibt. Gibt es. Eine Sache: Die Gesundheits- und Erfahrungstracker auf den Charakterbögen sind ein Witz, da entweder bereits oder sonst bald ausgeleiert. Die nächste Auflage des Spiels, die im Zuge des auf April angekündigten Kickstarters zu Isaac Childres‘ neustem Projekt zu bestellen sein wird, beinhaltet Tracker mit Nummernscheiben, wie man sie etwa aus dem Herr der Ringe LCG kennt.

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Entweder zu freizügig (rot) oder zu verklemmt (blau) – es ist ein Kreuz mit den Tracks!

Abschliessend sei noch gesagt, dass sich potentielle Gloomhaven-Touristen vor dem Gang zum Kickstarter-Reiseschalter einiger Punkte bewusst sein sollten. So liegt dem Spiel zwar ein Zufalls-Szenario-Generator bei und prinzipiell lässt sich auch jedes Szenario unabhängig von der Kampagne spielen. Allerdings ist Letztere wirklich das, was das Ganze auch langfristig interessant macht. Und mit langfristig meine ich für die Dauer der bereits erwähnten 60-70 Szenarien (zu jeweils rund 2 Stunden Spieldauer, gemäss meiner bisherigen Erfahrung). Man sollte sich also vorher vielleicht ein paar Gedanken darüber machen, wieviel Zeit man – und etwaige Kompagnons – wohl zu investieren bereit ist bzw. sind und wie es um die eigenen Spielmechanik-Vorlieben steht. Wer mit taktischen Dungeon Crawlern nichts anfangen kann, wird mit Gloomhaven nicht glücklich, auch wenn hier statt Würfeln eher euromässiges Handkartenmanagement angesagt ist.

Wer aber den zeitlichen Aufwand nicht scheut, Spass am Treffen spannender, taktischer Entscheidungen hat, eine dynamische, entscheidungs- und ergebnisabhängige Story zu würdigen weiss und beim Gedanken daran, wie sich das gelootete Gold und die angesammelten Erfahrungspunkte in den eigenen Spieler-Charakter investieren lassen, bereits ganz hibbelig wird, dem spreche ich hier eine dicke, fette, knapp 10kg schwere Kaufempfehlung für Gloomhaven aus – schliesslich müssen auch Brettspielabenteurer essen!

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Geschafft! Jetzt schnell zurück nach Gloomhaven, Beute verprassen!

Gemeinsam Monster hauen –  Zweitmeinung eines Gefährten (mattthecrow) zu Gloomhaven:

Zugegeben, ich habe die ganze Entstehung und den Rummel um die Kickstarterei von Gloomhaven nicht mitverfolgt. Erst als Pete uns ein Bildli von der Schachtel geschickt hat, habe ich mich im Netz etwas informiert. Die ersten Häppchen an Informationen machten schnell klar: Es geht ums Bodigen von Gegnern auf Hexfeldern und darum, den eigenen Helden zu verbessern. Scheinbar ist das Ganze noch in eine grosse Geschichte eingebettet, welche nach und nach erzählt wird. Also wird ein weiterer bekannter Mechanismus in eine Art „Legacy-Form“ gegossen. Ok –  das klingt nicht nach viel Neuem, aber wieso nicht.

Schön sieht es zudem aus, dieses Gloomhaven, und ich mag Abenteuerspiele. Kämpfe sind auch etwas, das mir normalerweise gefällt und die Idee mit der fortlaufenden Geschichte könnte spannend werden. Ausprobieren würd’ ich das Spiel also gerne mal. Toll, dass der Pete so schnell die Regeln auf die Reihe gekriegt und Bigbosss und mich zu einer Testrunde eingeladen hat. Es kam noch besser: Bei meinem Eintreffen in Pete’s Schenke Wohnung war auf dem Tisch schon alles aufgestellt und bereit. Die Schachtel musste er nach dem Aufstellen in einen separaten Raum bringen. Ist die Schachtel nämlich am Tisch, haben die Gäste daran keinen Platz mehr – und umgekehrt. Die Mutter aller Schachteln, quasi.

Die Story wurde erzählt und die wichtigsten Regeln erklärt. Ich kriegte einen schönen Charakter zugeteilt, zur Abwechslung mal nicht einen Elfen oder einen Zwerg. Abgebildet war eine auf einem Geländer balancierende, anständig gerüstete Dame. Nicht eins dieser halbnackten Fantasy-Dinger, sondern einigermassen zweckmässig ausgestattet, inklusive Giftklinge und Geldbeutel – wir sind ja nicht Helden, welche die Welt retten wollen, sondern Söldner mit etwas profaneren Zielen und Absichten.

Das eigentliche Spiel startete dann mit der ersten Mission. Wir mussten uns als Gruppe durch eine Horde von Gegnern durchmetzeln, um ——-ZENSURWEGENSPOILERN—–. Nach einer Kampfrunde waren das Prinzip und die Abläufe klar, und es wurde ersichtlich, welche Möglichkeiten ich habe. Die wichtigste Entscheidung fällt immer beim Auswählen meiner beiden Aktionskarten. Wie wird wohl die Spielerreihenfolge sein? Je nach Situation will ich vor oder nach den Feinden oder meinen Mitspielern dran sein. Dazu muss ich den Zahlenwert meiner Karten berücksichtigen. Noch wichtiger als die Zahlenwerte sind aber die Aktionsmöglichkeiten auf den Karten und die Tatsache, dass einmal gespielte Karten für eine Weile aus dem Spiel sind. Manchmal sogar für den Rest des Szenarios. Meine Mitspieler haben die gleiche Qual der Wahl, wir wissen aber voneinander nicht, was der andere spielen wird. Bis zum Aufdecken der Karten.

Dieses System ist super. Es ermöglicht eine Absprache zwischen den Spielern, aber jeder muss am Ende selber die Entscheidungen fällen, und ein gewisser Unsicherheitsfaktor bleibt. Kein Alphamännchen-Problem, wie es in anderen kooperativen Spielen auftaucht, in welchen ein dominanter Spieler quasi für alle  spielt. Das ganze System ist spannend, macht Spass und nach etwa drei Stunden hatte sich unsere Söldnergruppe durch das Szenario „gearbeitet“. Hier sei verraten, dass es sich um ein zweiteiliges Szenario handelte, wir hätten also etwa in der Hälfte der Zeit das Spiel für den Abend beenden können – wollten wir aber nicht. Der Lohn unserer Mühen war, dass wir die Geschichte ein kleines Bisschen voranbrachten und meine Söldnerdame hatte genug Erfahrung gesammelt, um einen Level aufzusteigen. Nun durfte ich eine bessere Aktionskarte in mein Deck einbauen (leider musste dafür eine alte Karte raus) und andere Kleinigkeiten an meiner Figur verbessern. Also an der Spielfigur – nicht bei mir…

Das Gemeine ist, dass nun der gleiche Effekt eintritt, welcher in der Welt der PC-Games allzu bekannt ist: Man hat etwas geschafft und möchte eigentlich gleich testen, wie sich die neuen Fähigkeiten im nächsten Szenario einsetzen lassen. Die neue Aktionskarte wird einschlagen wie eine Bombe, und mein neuer Bogen… Hey Pete, wann spielen wir die nächste Runde?

21 comments

  1. Das Spiel klingt richtig, richtig klasse. Sieht auch toll aus. Besonders die Kartenrückseiten in diesem schlichten Stil sind sehr gelungen. Stilistisch ist es zwar ein bisschen ein „Misch-Masch“ aber dennoch sehr ästetisch gestaltet das Ganze.

    Wie ist denn der Preis für das Spiel? (Pete, hat es mir bestimmt schon gesagt, aber ich habs wohl vergessen). Bei 10 oder 15 kg (na was denn nun? ;P) und der Fülle an Material bestimmt nicht ohne.

    @Pete: Haha, das Foto von dir mit dem Karten ist ja mal der Hammer! 😀

    1. Bin mir eigentlich absolut sicher, dass es dir sehr gut gefallen würde. 🙂

      Was den Preis betrifft, so munkelt man, dass dieser während der baldigen Kickstarter-Kampagne um $100 betragen wird. Etwas Porto und Zoll käme dann wohl noch dazu, aber angesichts des Inhalts immer noch ein Top Preis-Leistungsverhältnis, wie ich finde.

  2. Ich bin verwirrt… was heißt „baldige Kickstarter-Kampagne“? Der Kickstarter ist doch schon Monate her, dein Post ist aber vom 13.03.17… wird das spiel neu aufgelegt oder ist das Datum des Posts oder sowas falsch?

    1. Im April startet Isaac eine neue Kickstarter-Kampagne für sein nächstes Spiel „Founders of Gloomhaven“. Dabei wird es auch möglich sein, „Gloomhaven“ zu bestellen.

  3. Danke für die schnelle Antwort 🙂 Ich habe damals ungeahnte Zurückhaltung bewiesen und nicht geordert, mal sehen ob ich erneut widerstehen kann 😉 Ich bin trotz (oder wegen ;)) dem ganzen Hype nicht 100pro überzeugt. Das Kampfsystem ist super, aber komplex und zeitaufwändig. Ein Dungeon Crawler braucht eigentlich eher einfache kurze Kämpfe, damit die Balance zwischen Kampf und Abenteuermodus hinzubekommen ist. Bei Gloomhaven frage ich mich, wieviele der 2-Stunden-Kämpfe ich letztlich cool finden werde in einer Kampagne mit über 50+ Missionen und der Idee das ich zwischendrin neu freigeschaltete Chars neu anfange.

    War gerade beim alten Kickstarter: Die Box kostete damals 79$ und sehr günstige 10$ Shipping.

    1. Ja, der ursprüngliche Kickstarter war ein Schnäppchen – und gemessen am Inhalt/Spielwert dürfte es der neue immer noch sein.
      Was verstehst du denn unter Abenteuermodus? Die meisten Dungeon Crawler reihen ja einfach Szenario an Szenario, da kriegt man hier eigentlich relativ viel „Intermezzo“ geboten mit Ausrüstung kaufen, Deck(s) umbauen, Perks freischalten, etc. Dazu, wie sich die Szenarien innerhalb der Kampagne entwickeln, kann ich halt im Moment noch nicht wirklich viel sagen, da ich selbst noch in der Anfangsphase stecke. Ich denke zwar schon, dass es da noch ein paar witzige Überraschungen geben wird, aber taktische Kämpfe werden es wohl immer irgendwie bleiben.
      Der Rentenmechanik stand ich anfangs auch skeptisch gegenüber. Wenn man aber bedenkt, dass es laut Autor rund 15 Szenarien zur Erfüllung eines Lebensziels dauert, hat man seinen Charakter bis dahin vielleicht auch „gesehen“ und ist ganz froh um etwas Abwechslung.

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