Die Vorfreude war gross, als Fantasy Flight im letzten Jahr eine App-basierte zweite Version von Villen des Wahnsinns ankündigte. Knapp vor der Jahreswende war es dann soweit, und das Spiel kam zum ersten Mal auf den Tisch. Drehen wir die Zeit aber kurz zurück.
Die erste Version von Villen des Wahnsinns aus dem Jahr 2011 von Corey Konieczka hatte auf den ersten Blick durchaus überzeugt. Im halb-kooperativen Spiel treten einer oder mehrere Ermittler gegen den so genannten Bewahrer an. Dabei ist den Ermittlern zu Beginn des Spiels nicht einmal das Ziel des bevorstehenden Szenarios klar. Durch das Untersuchen von Hinweisen, das Bekämpfen von Monstern und das Lösen von cleveren Rätseln werden dabei langsam die Geschichte und damit auch die Siegbedingungen aufgedeckt. Mit Artefakten, Pistolen oder Zauberkräften treten die Ermittler gegen die Monster und Flüche des Bewahrers an – bis nach meist mehreren Stunden die eine Seite die Oberhand gewinnt.
Die Probleme der ersten Version
Dennoch bleibt das Abenteuer- und Entdeckungsspiel keineswegs nur in positiver Erinnerung. Denn wie attraktiv und überzeugend es auch sein mag, mehr als drei bis vier Mal fand es den Weg auf den Tisch nicht. Dies mag bei dieser Art von Spiel auch nicht sonderlich überraschen. Epische Spiele, die sich über Stunden erstrecken, brauchen eine interessierte, motivierte und feste Spielegruppe, um über längere Zeit gespielt zu werden. Dazu kommt das Hindernis des asymmetrischen Overlords, welches ebenfalls nicht jedermanns Sache ist – und auch nicht von jedermann gespielt werden kann.
Villen des Wahnsinns – Erste Edition: Viele Karten und Mechanismen wurden in der zweiten Version von der App übernommen. (Quelle: shutupandsitdown.com)
Zu diesen grundlegenden und nicht seltenen Schwierigkeiten kommen aber einige spielspezifische Probleme hinzu. So ist Villen des Wahnsinns ein sehr schwerfälliges Spiel. Fast durchgehend muss im Rahmen irgendwelcher Tests gewürfelt werden. Diese Tests unterscheiden sich alle ein wenig voneinander und machen somit ein ständiges Nachschlagen im Regelwerk unvermeidbar. Weiter ist das Spiel für die Ermittler relativ anspruchsvoll und durch diese überdurchschnittlich vielen Würfelwürfe auch glückslastig.
Villen des Wahnsinns 2.0
Aber genug der Nostalgie – es ist an der Zeit, der Vergangenheit den Rücken zu kehren und in die Zukunft – oder besser: weniger weit in die Vergangenheit – zu schauen. Denn genau diese Kritikpunkte wollte Fantasy Flight mit der zweiten Version des Spiels verbessern. Eine für das Spiel notwendige App übernimmt nicht nur die Rolle des Bewahrers sondern auch gleich die Organisation des gesamten Spielablaufs. Dadurch können sich die Ermittler vollkommen auf ihren Zug und ihre Aktionen konzentrieren und den detaillierten Ablauf des Spiels quasi vergessen. Die App erinnert die Spieler jeweils daran, wann was zu tun ist, generiert eine zufällige, passende Situation und gibt Anweisungen, wie sich die Spieler dieser stellen müssen. Das Spiel – vor allem der Spielablauf – wird so stark vereinfacht. Somit wird das Spiel vollständig kooperativ und auch zugänglicher für den Hobby-Spieler. Auch das Regelwerk konnte deutlich gekürzt werden – da sich dieses neu fast ausschliesslich auf die Integration der App konzentriert und sich kaum noch die Mühe macht, Regeln auch tatsächlich zu erklären.
Gleichzeitig wird das Spiel dadurch auch sehr undurchsichtig. Es ist beispielsweise unmöglich zu erahnen, wieso ein Monster zu einem bestimmten Zeitpunkt erscheint und nicht vielmehr zu einem völlig anderen. Dies macht die Geschichte aber auch spannend und es entsteht das Gefühl, dass jede Partie einzigartig und auch ausgeglichen ist.
Die Notwendigkeit der App ist überhaupt kein Kritikpunkt, denn sie funktioniert einwandfrei. Das Zusammenspiel zwischen Brett und Software ist sehr intuitiv und benutzerfreundlich. Auch wenn die App viele Funktionen übernimmt, stiehlt sie dem Brett keineswegs die Show – Bewegungen, Monster und verschiedene Marker werden weiterhin auf dem Brett festgehalten. Das Spiel bleibt somit sicherlich ein Brettspiel und wurde nicht zum Videospiel umfunktioniert. Villen des Wahnsinns macht in dieser Beziehung Lust auf weitere Spiele, in der eine App eine zentrale Rolle einnimmt.
Die zweite Edition kommt viel übersichtlicher daher. (Quelle: fantasyflight.com)
Durch das Vereinfachen zahlreicher Aspekte des Spiels entstand Raum für das Ausbauen anderer Spielkonzepte und Mechanismen. Dies ist auch durchaus gelungen. So werden beispielsweise Ermittler, die zu viel Schaden – oder Horror – erleiden, wahnsinnig. Wahnsinnige Ermittler erhalten neue Siegbedingungen – ein selbstloser Ermittler muss sich möglicherweise aufopfern um die Partie zu gewinnen, während ein Pyromane gewinnt, wenn er auf genügend Feldern Feuer legt. Die Szenarien und die Geschichte profitieren demnach durchaus von diesem Upgrade zur zweiten Version. Die Ermittler erkunden zusammen eine fantastische Welt und versuchen zusammen den Auftrag zu erfüllen.
Alter Wein in neuen Schläuchen
Dennoch hinterlässt auch die zweite Version einen bitteren Nachgeschmack, der irgendwie schwierig zu fassen ist. Vielleicht ist die Idee rund um Villen des Wahnsinns zu „alt“, um noch eine Chance zu erhalten. Vielleicht ist es auch die Länge der Szenarien, die sich tatsächlich bei einem Szenario mit 240 bis 360 Minuten – das sind ganze vier bis sechs Stunden! – locker an der oberen Grenze bewegt. Nicht selten habe ich mich dabei erwischt, nach mehreren Stunden die Partie abrupt zu beenden. Dennoch wollte ich natürlich jegliche Geheimnisse, Räume, Personen und Gegenstände auf der App anklicken, um zu erfahren, wohin die Geschichte noch gegangen wäre. Einverstanden, dies spricht an und für sich nicht für mich als Spieler, aber gleichzeitig auch nicht für das Spiel, das doch sehr viel Geduld abverlangt – das Einsteiger-Szenario möglicherweise ausgenommen. Hinzu kommt, dass die Szenarien kaum Anreiz bieten, sie mehr als einmal durchzuspielen – auch wenn sich das Spielerlebnis deutlich unterscheiden würde. Das Entdecken einer Geschichte und der Siegbedingungen ist bei einem zweiten Durchgang natürlich nicht mehr allzu reizend, da es sich zu einem gewissen Grad nur noch um ein Optimieren der Aktionen handelt.
Ein Fazit über Villen des Wahnsinns – Zweite Edition fällt mir daher sehr schwer. Zum Einen, da ich mir von diesem Spiel so viel erwünscht hatte, und zum Anderen, da solche Erwartungen an eine zweite Version eines Spiels vollkommen unfair und schwierig zu erfüllen sind. Daher stehe ich ähnlich zu dieser Version wie auch zur ersten: Ein sehr schönes Spiel mit einer gewaltigen Atmosphäre und fantastischen Geschichten – und doch wird es wahrscheinlich kaum noch auf den Tisch kommen. Dies vor allem, da es trotz einfacherem Zugang weiterhin hartgesottene Spieler erfordert. Bedenkt man zusätzlich den doch stolzen Preis, ist ein Empfehlen des Spiels schwierig. Dennoch bezweifle ich nicht, dass zahlreiche angefressene Cthulhu-Spiele-Fans in diesem Spiel einen wahrgewordenen Traum finden werden.
PS: Wir lieben alle ganz grosse und ganz viele Miniaturen – aber in welchem Universum macht das Zusammensetzen und Zusammenleimen der Miniaturen wirklich Spass?
Nach meiner bisher einzigen Partie (währen der ich im Wahnsinn einen meiner Kollegen abgemurkst und so das Spiel gewonnen habe) darf ich als Skeptiker bezüglich Karten-zieh-und-Effekt-anwend-Spielen sagen, dass mich die Umsetzung in gewissen Bereichen positiv überrascht hat, aber dennoch stellt die Sache nicht so ganz zufrieden. Ich würde mich Deinen Vorbehalten also anschliessen – es gibt Besseres. Viel.
Treffende Rezension – ich denke, du hast die „Probleme“ dieses Titels gut erfasst.
Ich möchte hier kurz zwei Punkte ansprechen, die in deiner Rezension aufkommen, mich aber jetzt damit nicht ausschliesslich auf diese bzw. Villen des Wahnsinns beziehen. Bei Spielen jenseits der zwei-Stunden-Marke sollte man ja nicht vergessen, dass diese eigentlich immer ein spezielles Publikum ansprechen und nicht für Gelegenheitsspieler gedacht sind. Da stellt sich dann die Frage, welches Gewicht man der Spieldauer als Kriterium geben sollte. Denn wenn man sich bei einem 3-Stünder nicht auch einigermassen für das Thema bzw. die Hauptmechanismen des Spiels begeistern kann, wird man sich diesen natürlich kaum antun, erst recht kein zweites Mal. Ganz egal, ob es sich dabei um ein mythosbasiertes Entdeckungs- und Erzählspiel wie Villen… oder ein strategisches Block-Wargame mit historischem Hintergrund wie Triumph or Tragedy handelt.
Und damit wären wir beim Punkt „kaum noch auf den Tisch kommen“: Welches Spiel, das länger als zwei Stunden dauert, kommt denn überhaupt regelmässig auf den Tisch? Das sehen wir ja auch in unserer Runde ganz gut. Ist eins grad neu, nehmen wir uns vielleicht zwei oder drei Mal die Zeit, bevor es in der Versenkung verschwindet – ganz egal, wie viel Spass es macht und wie gut es ist. Hauptsache möglichst kurz, möglichst Schlag auf Schlag, möglichst genormt, möglichst neu?
Wie ist das denn mit der angepriesenen „Save“ Funktion?
Löst diese nicht das Problem der 3-5 h Partien?
Ich habe mir das Spiel noch nicht gekauft, da ich doch leicht ihr Befürchtung habe ein Computerspiel mit Brettspielfunktion zukaufen.
Die „Save“ Funktion erfüllt ihren Zweck recht gut. Der Spielfortschritt ist sowieso kein Problem – jegliche erforschte Marker, Räume, sogar Schaden der Monster werden gespeichert. Der Standort der Ermittler, Monster oder fallengelassener Gegenstände, aber auch Schadens- und Horrorkarten oder Gegenstände im Besitz der Ermittler gehen jedoch „verloren“ im Sinn, dass all dies nicht vom App ermittelt wird. Dies ist aber in der Tat nur ein kleines Problem, und kann gut notiert werden – oder aber du lässt das Spiel sowieso stehen.
Wenn die Sorge um das Computerspiel dein einziger Zweifel ist, kann ich dich beruhigen. Die App steht wirklich im Dienst des Bretts – und dies haben die Entwickler sehr gut hingekriegt. Das Brett stand in jeder Partie im Zentrum, wir haben uns immer auf das Brett bezogen. Lediglich wenn du – in der ersten Version – eine Karte ziehen würdest oder einen Test erfüllen musst, benützt du die App. Sie erleichtert den Spielfluss, macht es aber überhaupt zu keinem Computerspiel.